Simantoni-Bournia, E. - Mendoni, L. G. - Panagou, T.-M.: Καρθαία...ἐλαχύνωτον στέρνον χθονός..., 209 p. 28 x 21 cm. En grec, anglais et français. ISBN : 978-960-89366-2-1. (Fonds pour la direction financière des projets archéologiques, Athènes 2009)
Reseña de Eleni Manakidou, Aristoteles Universität Thessaloniki
Número de palabras : 1635 palabras Publicado en línea el 2010-09-20 Citación: Reseñas HISTARA. Enlace: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=1011
Selten erscheint eine wissenschaftliche Arbeit fast
gleichzeitig mit dem Abschluß eines Projektes und in dreisprachiger Fassung (Griechisch,
Englisch und Französisch) sowie von ihren Verfassern selbst übersetzt. Dies gilt
aber für die im Folgenden vorgestellte Studie, welche im Jahre 2009 gleich nach
der Vollendung des langjährigen Projektes über die „Restaurierung und Gestaltungs-Präsentation
der antiken Stadt Karthaia“ auf der nordwestlichsten kykladischen Insel Keos (neugriechisch: Kea oder Tzia) publiziert wurde. Das Projekt wurde seit 2001 im Rahmen des
Dritten EU-Förderprogramms für Griechenland unter der Aufsicht des griechischen
Kulturministeriums durchgeführt, so wie viele andere archäologische Arbeiten landesweit.
Die Insel
unterscheidet sich von vielen anderen – nicht nur der Kykladen – darin, daß sie
vier unabhängige Städte besaß (drei an der Küste: Koressia, Poiessa und Karthaia sowiee das im Landesinneren
gelegene Ioulis). Trotzdem wurde
schon ab Anfang des 5. Jhs. v.Chr. (Herodot ) oft die Sammelbezeichnung Keioi verwendet, welche auf eine
kollektive „nationale“ Identität der Bewohner dieser Insel hindeutet.
Die relativ
gut erhaltenen Reste der Stadt Karthaia
befinden sich an der südöstlichen Küste der Insel bei der Ortschaft Poles von
Kato Meria, auf dem Hügel von Aspri Vigla und in den kleinen Tälern der Bäche
Kalamitsis und Vathypotamos, welche in die Buchten von Mikres Poles und Megales
Poles münden. Die Stadt verdankt ihren Namen dem Heros Karthios und wird erstmals bei Pindar (Paian IV, 13-15) erwähnt, wo
sich auch der Vers findet, der als Untertitel des Buches dient: der dort
genannte „schmale Landrücken“ bezieht sich auf den imposanten Akropolis-Felsen,
den heutigen Koulas (neugriechisch
für „Turm“, vom türkischen „Koule“). Hier befand sich der Kern der ersten
geometrischen Siedlung, welche noch nicht erforscht ist, sowie die Reste der
spätantiken Stadtbefestigung. Die Aufgabe der Stätte nach dem 7. Jh. n.Chr. ist
der Hauptgrund für ihre Erhaltung, dies trotz der üblichen Steinplünderung im
Mittelalter und in der Neuzeit.
Gleich im
ersten Kapitel (S. 30-45), nach den Danksagungen (S. 9-14) und dem
Bildverzeichnis (S. 15-29), benennen die Verf. die Gründe und führen sie plausibel
aus, welche zum Konzept der Restaurierung und Gestaltung dieser archäologischen
Stätte führten. Die fast unberührte Landschaft und die Verlassenheit des Ortes
waren die zwei wichtigsten Komponenten für die Notwendigkeit, aber auch für den
Erfolg des Projektes. Ein dritter Faktor hatte mit der künftigen sanften und
traditionsbewußten Entwicklung der vorhandenen Landschaft und ihres Ökosystems
zu tun. So wird gleich zu Anfang das Ziel dieser Studie klar gemacht: die
Restaurierungs- und anderen Gestaltungsarbeiten im antiken asty und seiner chora
sollten Hand in Hand mit der umweltverträglichen Entwicklung dieser Gegend
gehen. Ein archäologischer Park in Verbindung mit einem landschaftlichen
Erlebnis (Wanderwege) sollte entstehen. Übrigens ist das gesamte Gebiet noch
heute landseitig nur zu Fuß zu erreichen (S. 36-37, 94) und liegt dabei ein gutes
Wegstück von der nächsten Gemeinde entfernt.
Bevor man
zur Betrachtung der Stadt Karthaia selbst
gelangt, gibt es zuvor noch ein umfassendes Kapitel zur Lage und Geschichte der
ganzen Insel Keos (S. 46-67). Die
verschiedenen Schriftquellen, inklusive des umfangreichen epigraphischen
Materials, sind reich an Informationen über die historischen Ereignisse, den
sozio-politischen und wirtschaflichen Status, das religiöse und kulturelle
Leben auf der Insel durch die Jahrhunderte, wobei sich viele der dort
aufgeführten Fakten ebenfalls auf Karthaia
beziehen. Eine kleine, aber beachtliche Ergänzung bei den Schriftquellen
wäre der hellenistische Dichter Kallimachos
(Aitia III, frr. 67 und 75) gewesen, der eine gute aitiologische Herleitung bezüglich
der Inselgenealogie gibt und ausdrücklich den Keier Historiker Xenomedes als seine Quelle nennt;
derselbe berichtet unter anderem von der Befestigung Karthaias durch Megakles
(fr. 75, 70-71). Hinsichtlich der Gründer der vier Städte von Keos erwähnt Kallimachos die Überlieferung, dass sie Kinder des Königs Euxantios aus Kreta waren (Schol. zu
Pindar, Paian IV, 60), unter ihnen vermutlich der eponyme Karthios.
Im ersten
eigentlichen Kapitel über die Topographie der behandelten Stadt (S. 68-74)
finden sich dann alle wichtigen räumlichen und architektonischen Angaben kurz genannt
und die restaurierten Denkmäler vorgestellt sowie auf dem Stadtplan angezeigt.
Man fragt sich nur, warum nicht gleich nach dieser topographischen Einführung
die jeweiligen Kapitel mit der Beschreibung und den neueren Restaurierungsdaten
jedes einzelnen Baus angeführt werden. Statt dessen kommen davor die kurzen Kapitel
über die Forschungsgeschichte der Stadt, zunächst die ausländischen Reiseschriftsteller
(Periegeten) des 17.-19. Jhs. (S.
75-79), dann die griechischen Gelehrten (S. 80-84) und schließlich die Anfänge
der systematischen archäologischen Forschung und die ersten Grabungen am Ort (S.
85-93).
Dasselbe,
was ihre Plazierung im Buch betrifft, gilt m.E. für das folgende Kapitel über
die heute vorhandenen neugestalteten Wanderwege nach Karthaia (S. 94-98), welches vielleicht besser nach dem ersten
Kapitel stehen würde. Dennoch ist es interessant zu erfahren, welche Möglichkeiten
dem Besucher zur Wahl stehen, um konkret vor Ort zu kommen und dass er dabei
sogar die Auswahl zwischen vier Wegen von verschiedener Dauer und Schwierigkeit
hat.
Der
Behandlung der einzelnen archäologischen Denkmäler steht ein Kapitel voran, in
welchem alle Schwerpunkte und Aktionen dieses Restaurierungs- und Entwicklungsprojektes,
in drei Gruppen zusammengefasst, erwähnt sind (S. 99-106): es handelt sich um
die Arbeiten zum Studium und zur Wiederauswertung des archäologischen
Materials, dann die Arbeiten zur räumlichen und landschaftlichen Gestaltung der
Stätte und des Zugangs dorthin für die Besucher sowie schließlich um die praktischen
Maßnahmen zu Aufbewahrung und Schutz der Antiken und zur Bewachung der gesamten
Anlage. Bei dieser Auflistung wird erst deutlich, wie viel vorbereitende Planung
und Zusammenarbeit ein solch facettenreiches Projekt benötigt, abgesehen von
der Mühe und Koordination während der Ausführung; dazu könnte man die begrenzten
finanziellen Vorgaben und den zeitlichen Faktor hinzurechnen.
Die
Vorstellung der einzelnen Altertümer beginnt mit der Stadtbefestigung (S.
107-111), wo man im Rahmen des vorliegenden Projektes keinerlei Maßnahmen
getroffen hat, vielleicht wegen ihres guten Erhaltungszustands. Dabei ist
interessant, dass die Akropolismauer im Zusammenhang mit den Stützmauern der zwei
entstandenen Plateaus steht, was ein einheitlicher Baukonzept belegt.
Die
eigentlichen umfangreichen Restaurierungs- und Wiederherstellungsarbeiten in
Verbindung mit kleinen Sondagen und dem Sammeln von Streufunden und
architektonischen Teilen wurden bei den wichtigsten vorhandenen Kult- und öffentlichen
Bauten der Stadt durchgeführt. Jedes der entsprechenden Kapitel schließt mit einem
Abschnitt über die durchgeführten Arbeiten beim besprochenen Denkmal. Darunter
ist der sog. „Athena-Tempel“ (S. 112-127) auf dem Oberen Akropolis-Plateau das heutige
Wahrzeichen der Anlage, wo intensiv geforscht und restauriert wurde. Trotz des
mäßigen Erhaltungszustands und der zerstreuten Bauteile versuchte man ein
besseres Bild des Tempels zu vermitteln, indem man einige architektonische
Glieder, wie die Säulen der Peristasis, als getreue Kopien ganz oder zum Teil wieder
aufrichtete.
Sicher
kann man gewisse Einwände haben, was das Maß und die Notwendigkeit solcher Rekonstruktionen
im Allgemeinen angeht, das Ergebnis wirkt hier aber überzeugend, da sich die
Wiedererrichtungen in Grenzen halten und die verwendeten Baumaterialien sich
gut in die Landschaft integrieren. Auf dem Plateau um den „Athena-Tempel“ wurde
zusammen mit dem monumentalen Propylon (S. 128-139) und dem tempelartigen sog.
„Bau D“ (S. 140-155) – zu beiden Gebäuden brachten die Restaurierungsarbeiten
neue Erkenntnisse und interessante Planungs- und Konstruktionsdetails – eine abgeschlossene,
aber von verschiedenen Seiten zugängliche, kultisch-öffentliche Anlage nachgebildet.
Dazu trägt auch die Gestaltung des Platzes vor dem Tempel und die theaterartige
Stufenkonstruktion zwischen den beiden Bauten bei. Was die Funktion des „Baus
D“ angeht, gibt es keine eindeutigen Beweise und die vorgeschlagenen Deutungen
als Prytaneion oder Bouleuterion sind mehr oder weniger hypothetisch.
Der
wichtigste und auch ältere Sakralbau der Stadt war aber der Tempel des Apollo
Pythios auf dem Unteren Akropolis-Plateau (S. 156-175). Neben den verschiedenen
Aufbauarbeiten sind hier die neuen Erkenntnisse von besonderer Bedeutung, welche
zur Gestaltung und Festigung der Terasse gewonnen wurden, auf der das Gebäude
errichtet ist. Es handelt sich um eine schwierige technische Meisterleistung, wie
hier eine kräftige Stützmauer für einen Teil des quasi über dem Meer
schwebenden Plateaus errichtet wurde. Ähnliche Konstruktionen waren im übrigen und
sind heute noch auf allen Kykladeninseln zur Gewinnung von Bau- oder Ackerland
oft notwendig.
Einige
architektonische Besonderheiten des Apollo-Tempels (tiefe Vorhalle mit sechs
Säulen in antis, Teilung der cella durch eine Reihe von fünf Säulen
oder Pfeilern, seitliche Nebentür mit Balkon) erinnern auch an die
Eigentümlichkeiten anderer uns bekannter kykladischer Tempel (Naxos, Delos,
Paros). Dass diese Anlage ein öffentlicher Platz war, beweisen die vielen gefundenen
Sockel von Weihgeschenken inner- und ausserhalb des Tempels sowie die dort
errichteten Dekretstelen der Boule
und des Demos.
Die Reihe
der Denkmäler schliessen die sog. „Prozessionstrasse“ (S. 176-178), welche die
zwei Plateaus mit einer monumentalen Treppe verband, und das nur zum Teil ausgegrabene
Theater ab (S. 179-181). Von Interesse sind auch die nebenbei erwähnten
Zisternen und die Stützmauer, welche zwei weitere lebenswichtige Aspekte der
städtischen Bautätigkeit beleuchten, ganz besonders auf den wasser- und landarmen
ägäischen Inseln. Weitere antike Baureste, wie die Häuser an den Hängen, die
Ruinen eines dritten Tempels auf der Hügelspitze oder die unter Meerwasser stehende
Mole, wurden nicht in das Projekt aufgenommen.
Die drei
letzten Hauptkapitel des Buches befassen sich mit der Ausführung der
verschiedenartigen geplanten Arbeiten, nämlich mit der Gestaltung des archäologischen
Geländes (S. 182-187), der Organisierung der Bauarbeiten (S. 186-194) und den
schon oben erwähnten notwendigen, aber begrenzten Grabungsarbeiten (S.
195-199). Damit wird ganz klar, welcher Einsatz und Umfang bei der Realisierung
eines solchen Projektes gefordert ist, auch wenn es nur um eine überschaubare
Anlage geht wie die von Karthaia.
Nützlich
und handlich sind der chronologische Index (S. 200-202), das Glossar (203-206)
und die Bibliographie (207-208) am Ende des Buches, besonders wenn man bedenkt,
dass die vorhandene Ausgabe sich an beiden Lesergruppen orientiert, den Fach-Archäologen
und den interessierten Laien. Zu Recht haben sich die Verf. nur auf die Karthaia spezifische Fachliteratur
konzentriert, aber man vermißt den vollen Titel des handlichen archäologischen Inselführers
von A. Spetsieri-Choremi – C.
Vlassopoulou – G. Venieri – D. Zafeiropoulou, Κέα.
Ιστορίακαιαρχαιότητες (Athen 2002), der einige Male von den
Verf. im Abbildungsverzeichnis erwähnt wird.
Zum
Schluß noch eine Bemerkung zu den Bildlegenden, die als Kritik angesehen werden
kann: man vermißt die Legenden unter den Abbildungen im Text und findet sie alle
in einem Bildverzeichnis (S. 15-29) gesammelt, das etwas isoliert nach der
Danksagung steht und dem Leser zum ständigen Vorblättern zwingt, wenn man die
entsprechenden Textabschnitte lesen will.
Das Bemerkenswerte
an diesem Buch ist, dass es die Verbindung zwischen archäologische Forschung,
Umwelterkundung (bzw. Umweltgestaltung) und örtlicher Entwicklung deutlich
macht. Obwohl es kein richtiger Ortsführer ist, gibt es weit mehr solche
Informationen als ein einfacher archäologischer Führer.
Die große
Anzahl und sehr gute Qualität der Farbbilder, Umrißpläne und zeichnerischen Rekonstruktionen
sowie der attraktive Drucksatz tragen überdies noch zum Gelingen dieser Edition
bei. Der Gang der Bauarbeiten und die Endfassung der Denkmäler-Rekonstruktionen
sind auch ausreichend dokumentiert. Es handelt sich mithin um ein sorgfältiges und
kompakt zusammengefasstes Buch, welchem kaum Druck- oder sonstige Fehler anzulasten
sind, ein Resultat des Eifers und des Engagements, mit welchen sich die
Verfasser und alle Projektteilnehmer ihrem Ziel und ihrer Vision widmeten.
Editores: Lorenz E. Baumer, Université de Genève ; Jan Blanc, Université de Genève ; Christian Heck, Université Lille III ; François Queyrel, École pratique des Hautes Études, Paris Web producida por Lorenz Baumer y François Queyrel y realizada por Lorenz Baumer, 2006/7