Oakley, John H. : Die antiken Sarkophagreliefs: Andere Mythen: IX. Band: Die Sarkophage Griechenlands und der Donauprovinzen, 1. Teil: Die attischen Sarkophage, 3. Faszikel: Bd 9 / 1. Teil / 3. Faszikel, 110 Seiten, 8 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 25 x 34,6 cm, ISBN-13: 9783786126409, 69 €
(Reimer Verlag, Berlin 2011)
 
Recensione di Erwin Pochmarski, Institut für Archäologie der Universität Graz
 
Numero di parole: 3579 parole
Pubblicato on line il 2012-01-30
Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700).
Link: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=1466
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          Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um den ersten des Corpus der antiken Sarkophagreliefs, der von einem siebenköpfigen Beirat herausgegeben wird, dessen Mitglieder – mit zwei Ausnahmen – alle keine Spezialisten auf dem Gebiet der Sarkophagforschung sind, womit das Deutsche Archäologische Institut eine bewährte Tradition aufgegeben hat. Trotz der zweimal erwähnten Überarbeitung des deutschen Textes durch S. Rogge (S. 9 und 101) und der gleichfalls an diesen zwei Stellen genannten Verdienste der Redaktion des DAI Berlin sind im Text eine Reihe von sprachlichen Unstimmigkeiten stehen geblieben, die hier aus Platzgründen nicht eigens erwähnt werden.

 

          Mit dem vorliegenden Band ASR IX 1, 3 ist die Dokumentation der attischen Sarkophage in den antiken Sarkophagreliefs abgeschlossen [1]. J. H. Oakley hat sich der undankbaren Aufgabe unterzogen, neben den in den bereits erschienenen bzw. im Erscheinen begriffenen Bänden des Sarkophagcorpus behandelten Mythen die anderen, auf attischen Sarkophagen seltener dargestellten Szenen mythologischen Inhalts (S. 60) zu behandeln. Nur vier der behandelten Themen begegnen auf den attischen Sarkophagen in größerer Zahl: Bellerophon (Kat. 1-10), Herakles (Kat. 12-22) und die Kentauren (Kat. 26-41) sowie die Orestie (Kat. 53-58). Die übrigen in diesem Band zusammengefassten mythologischen Themen sind nur auf einem Sarkophag bzw. auf bis zu maximal drei Exemplaren vertreten. Die Mehrzahl der Sarkophage mit Bellerophon- bzw. Kentaurenszenen sind in der sog. Experimentierphase der attischen Sarkophage (150-180 n. Chr.) entstanden, die meisten Sarkophage mit Heraklestaten sind nach Oakley in das letzte Viertel des 2. Jhs. n. Chr. zu datieren (S. 60); allerdings gibt er an einer anderen Stelle (S. 17) eine Zeitspanne vom 3. Viertel des 2. Jhs. bis in das 2. Viertel des 3. Jhs. n. Chr. an. Von besonderem Interesse sind zwei späte Sarkophage aus der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. mit dem Mythos des Pelops (Kat. 61) und der Polyxena (Kat. 62), die auf allen vier Seiten des Sarkophagkastens inhaltlich zusammenhängende Darstellungen bieten und vom Verf. wohl zu Recht als Sonderanfertigungen angesprochen werden. Darüber hinaus möchte Oakley auch eine Reihe früher entstandener Sarkophage mit zwei oder drei thematisch verwandten Szenen auf den einzelnen Seiten als Sonderanfertigungen ansprechen: Kat. 11 mit Helena und den Dioskuren bzw. Leda, Kat. 12 mit Heraklestaten, Kat. 50 mit den Sieben gegen Themen bzw. Opheltes und Kat. 66 mit Unterweltdarstellungen. Die genannten Sarkophage sind alle am Ende der Experimentierphase entstanden (S. 60).

 

          Der Band ist in zwei Teile eingeteilt – die Untersuchungen (S. 13-65) und den Katalog (S. 69-99). Es folgen noch das Nachwort (S. 101), eine Konkordanz zu anderen ASR-Bänden (S. 102), das Abbildungs- und Tafelverzeichnis (S. 103-104), ein Ortsregister (S. 105-107) und ein Namens- und Sachregister (S. 108-109). Im Untersuchungsteil werden die einzelnen Sarkophage nach den auf ihnen dargestellten Mythen zusammengefasst, wobei die Abfolge alphabetisch ist. So stehen am Beginn die Sarkophage mit Szenen aus dem Mythos von Bellerophon mit Pegasos (1: S. 13-15), wobei thematisch zwischen der Bändigung des Pegasos (1.1: S. 13-14; Kat. 1-8) und der Tränkung des Pegasos (1.2: S. 14-15; Kat. 9. 10) unterschieden wird. Oakley verwendet für die acht Darstellungen mit der Bändigung des Pegasos durch Bellerophon wohl zu Recht den Begriff Typus, wobei er allerdings mit den verwandten Begriffen Typus, Schema, Motiv in der Folge eher großzügig umgeht. Anzumerken wäre jedenfalls, dass auf den Sarkophagen Kat. 7 und 8 die Szene seitenverkehrt wiedergegeben ist. Für die Darstellung der Tränkung des Pegasos nimmt der Verf. ein klassisches Vorbild an, wenige Zeilen später sieht er jedoch den Ursprung der Szene in der römischen Kunst (S. 15).

 

          Der in Kifissia gefundene Sarkophag mit Helena und den Dioskuren (2: S. 15-17, Kat. 11) stellt das einzige Beispiel für einen attischen Sarkophag mit diesem Thema dar, wobei Helena auf der Vorderseite mit ihren Brüdern gruppiert ist, während auf der einen Nebenseite ihre gemeinsame Mutter Leda mit dem Schwan wiedergegeben ist.

  

       Heraklestaten finden sich mit Sicherheit auf acht, möglicherweise sogar auf elf attischen Sarkophagen (3: S. 17-24, Kat. 12-22), wobei sieben, vielleicht sogar acht der kanonischen Taten dargestellt sind. Auf einem Sarkophag (3.1: 17-18, Kat. 12) sind auf der Vorderseite vier Taten des Herakles wiedergegeben und auf den beiden Nebenseiten je eine, wobei die lernäische Hydra auf der rechten Nebenseite mit dem weiblichen Oberkörper und den kaum sichtbaren Schlangenleibern ikonographisch sehr eigenwillig ist. Für die erste Zusammenstellung mehrerer Taten des Herakles an einem Monument führt der Verf. die Spätarchaik an, ohne allerdings das Athenerschatzhaus in Delphi explizit zu nennen. Die Vermutung, die Heraklesdarstellungen würden auf die bronzene Statuengruppe von Alyzia des Lysipp zurückgehen, ist wohl gänzlich unwahrscheinlich: eher ist ein Vorbild aus der Flächenkunst anzunehmen. Die Annahme, dass den drei fragmentarischen Darstellungen von Herakles und der Amazonenkönigin Hippolyte (3.2: S. 18, Kat. 12-14) dasselbe Kompositionsschema zugrunde liege, kann man gelten lassen; etwas weiter unten spricht der Verf. davon, dass der Bildtypus vom Fries des Tempels der Artemis Leukophryene in Magnesia abgeleitet sei, wobei der Begriff Bildtypus nun zu eng gefasst ist. Auf dem Sarkophag Kat. 12 und dem Sarkophagfragment Kat. 15 möchte Oakley Herakles und Antaios erkennen (3.3: S. 18-19, Kat. 12. 15), wobei das im ersten Fall sicher erscheint, im zweiten wegen des Ringkampfmotivs zwar möglich, aber angesichts der Gestalt des „Antaios“ weniger wahrscheinlich. Ähnliches gilt für die Wiedergabe des Themas Herakles und der erymanthische Eber (3.4: S. 19-20; Kat. 12. 16). Auf dem Fragment aus Kyrene ist der von Oakley beobachtete Eber auch auf der alten Aufnahme von Abb. 1 kaum auszunehmen. Bei der Besprechung des Motivs setzt der Autor die Begriffe Bildmotiv und Darstellungsschema gleich, was sicher nicht statthaft ist, denn Motiv ist der ungleich weitere Begriff [2]. Herakles und die Hesperiden möchte Oakley auf einem Sarkophagfragment erkennen (3.5: S. 20; Kat. 17), was angesichts der allein und ohne Hinweis auf die Äpfel erhaltenen Gestalt des Herakles ganz unsicher erscheint. Ähnliches gilt wohl auch für die rechte Nebenseite des Sarkophags Kat. 12 (3.6: S. 20-21; Kat. 12), auf der die von Herakles geschwungene Keule und der menschliche Oberkörper der Hydra ikonographisch eher seltsam anmuten. Für Herakles und Kerberos (3.7: S. 21-22; Kat. 12. 18. 19) verwendet der Verf. den unpassenden Ausdruck Pose; gemeint ist wohl Bildmotiv. Ebenfalls unkorrekt ist die Annahme, dass die „Pose“ auf einen bereits in der attisch schwarzfigurigen Vasenmalerei verwendeten Bildtypus zurückzuführen sei. Zu Herakles und der kerynitischen Hirschkuh (3.6: S. 22; Kat. 20) auf einem Sarkophagfragment werden wieder die Begriffe Bildmotiv und Bildtypus miteinander vertauscht. Ob Herakles wirklich im Begriff ist, seine Keule einzusetzen, erscheint fraglich, da er die Hirschkuh ja zu fangen hat. Bei der Anm. 70 wäre zu klären, was mit zeitgleichem stadtrömischem Sarkophag (160-180 n. Chr.) gemeint ist, wenn das Fragment Kat. 20 doch in die Zeit 230-240 n. Chr. datiert wird. Herakles und der nemeische Löwe (3.9: S. 22-23; Kat. 21. 22) sind nach Oakley auf dem Sarkophag Kat. 21 und angeblich auf dem Sarkophagfragment Kat. 22 dargestellt. Hier ist wieder der Ausdruck Bildschema irrig statt Bildmotiv verwendet; zudem gibt es für den Ringkampf unterschiedliche Motive: den Stehkampf und den Liegekampf [3]. Das „Standschema“ gibt es jedenfalls bereits in der attisch schwarzfigurigen Vasenmalerei und nicht erst in der griechischen Vasenmalerei des 5. Jhs. v. Chr. (S. 23) [4]. Für den Sarkophag Kat. 23 gilt zumindest die Vermutung, dass er in der Renaissance überarbeitet wurde. Für Herakles und die stymphalischen Vögel auf der Vorderseite von Kat. 12 (3.10: S. 23-24; Kat. 12) gibt Oakley die Annahme wieder, dass der „Prototyp“ der hinter der Figur stehenden Statue auf die Gruppe des Lysipp von Alyzia zurückzuführen sei, was als reine Spekulation abzutun ist.

 

          Für Iphigenie auf Aulis (4: S. 24-26; Kat. 23. 24) führt der Verf. neben der Vorderseite des Sarkophags Kat. 23 noch das als Fragment einer Vorderseite angesprochene Exemplar Kat. 24 an. Für den Sarkophag Kat. 23 fällt die Deutung der einzelnen Figuren wegen der schlechten Erhaltung ausgesprochen schwer. Sicher ist Artemis zu deuten, doch ist die vom Autor ausgesprochene Rückführung auf die Artemis von Versailles weit hergeholt. Auf dem Fragment Kat. 24 möchte Oakley drei Frauen und einen Mann erkennen, wovon der Rez. nur die drei Frauen ausnehmen kann; auch der angebliche Bogen in der linken Hand der Artemis und das Reh neben ihr sind nicht zu sehen. Zumindest nicht unproblematisch ist die Beziehung des Reliefs Kat. 25 (5: S. 26-27; Kat. 25) auf einen attischen Sarkophag. Für den mit dem Relief verglichenen Eroten-Sarkophag von der Athener Agora fehlt das entsprechende Zitat.

 

          Die größere Zahl der attischen Sarkophage mit Kentauren (6: S. 27-32) teilt der Verf. wieder in mehrere thematische Gruppen. Er beginnt mit den Kentauren bei der Jagd auf große Raubkatzen (6.1: S. 28-29; Kat. 26-30), die sich auf fünf Langseiten finden. Der zum Vergleich herangezogene stadtrömische Sarkophag, ehem. Kunsthandel, ist mit der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. relativ früh angesetzt. Der Kampf zwischen Lapithen und Kentauren (6.2: S. 29-31; Kat. 31-40) findet sich mit Sicherheit auf acht attischen Sarkophagen, vielleicht sogar auf zehn. Ein Großteil der Beispiele – sicher mindestens fünf – stammt von der Rückseite von Sarkophagen. Mit der Angabe, es handle sich um eine jeweils leicht variierte Szene wird ein einheitliches Vorbild vorausgesetzt, was etwas weit geht. Auch die Zuweisung an eine der fünf im LIMC unterschiedenen Gruppen [5] bzw. deren Klassifikation als Gruppentypen erscheint fraglich. Vor allem geht die dort getroffene Einteilung ganz von den Figuren der Kentauren aus und berücksichtigt nur am Rand die Lapithen. Es handelt sich wohl um fünf standardisierte Gruppenkompositionen, für die vielleicht der Terminus „Gruppenform“ angebrachter wäre. Die von Oakley als „Prototypen“ (stets unter Anführungszeichen, womit nicht klar ist, was genau gemeint ist) apostrophierten klassischen Monumente lassen sich nicht konkret festmachen. Schließlich findet sich auf einem Sarkophag (6.3: S. 32; Kat. 41) als Thema der Kampf der Kentauren gegen die Greifen, die als apollinische oder dionysische Symbole interpretiert worden seien: Letzteres ist wohl auszuschließen. G. Koch gibt in dem in der Anm. 141 zitierten Handbuch [6] keinen Hinweis auf eine der beiden angesprochenen Deutungen.

 

          Für Leda auf attischen Sarkophagen (7: S. 32-34; Kat. 11. 42. 43) führt der Verf. als Vergleichsbeispiele zwei Reliefs in London und Argos an, die einander wie Kopien – gemeint ist wohl „Repliken“ – gleichen würden. Für die drei Sarkophage bzw. Sarkophagfragmente scheint tatsächlich derselbe Typus verwendet worden zu sein, doch ist die vom Autor getroffene Gleichsetzung von Bildtypus und Darstellungsform problematisch. Im Detail lässt sich für das Sarkophagfragment Kat. 42 feststellen, dass der Schwan Leda keineswegs mit dem Schnabel im Nacken gepackt hat, noch dass Leda ihren Kopf vom Schwan abwendet (S. 33).

 

          Für die Musendarstellungen gibt es zwei Beispiele auf attischen Sarkophagen (8: S. 34-36; Kat. 44. 45), wofür der Autor einerseits auf die Ähnlichkeit der Figuren von Apollon und Terpsichore mit stadtrömischen Sarkophagen hinweist (S. 35), andererseits aber meint, dass weder der fragmentierte Sarkophag Kat. 44, noch ein in Aquileia befindliches Fragment aus lokaler Produktion mit stadtrömischen Sarkophagen zu vergleichen seien (S. 36). Sowohl beim Abbildungs- und Tafelverzeichnis, als auch in der Beschriftung der Taf. 34 sind die Fragmente im Vatikan und in Wien miteinander vertauscht worden.

 

          Drei Sarkophagfragmente sind nach Oakley auf den Freiermord des Odysseus zu beziehen (9: S. 37-38; Kat. 46-48), was zumindest für das Sarkophagfragment Kat. 48 eher zweifelhaft erscheint. Auf dem Fragment Kat. 47 rückt nach dem Verf. der mit dem Schild bewaffnete Telemach zusammen mit einem weiteren Bewaffneten gegen die Freier vor: allerdings ist von diesem zweiten Bewaffneten nichts zu erkennen. Auch für das Fragment Kat. 46 stellt sich die Frage, wo sich das angeblich fast waagrecht geführte linke Bein des Odysseus befinden soll.

 

          Die einzige Darstellung des Ödipus findet sich auf der linken Nebenseite eines Erotensarkophags (10: S. 38-39; Kat. 49). Hier ist vom Autor für die verglichenen Darstellungen aus der Vasenmalerei der korrekte Begriff Bildmotiv verwendet; für die von ihm verglichenen beiden stadtrömischen Sarkophage fehlen leider die Belege (S. 39).

         

          Von den drei Exemplaren mit Darstellungen des Opheltes (11: S. 39-40; Kat. 50-52) lassen sich auch die beiden fragmentarischen mit einiger Sicherheit auf den Mythos des von Hypsipyle nicht genügend behüteten Kindes beziehen. Oakley meint etwas beschönigend, dass sich die Kompositionen auf dem Sarkophag Kat. 50 und Sarkophagfragment Kat. 51 nicht genau entsprächen (S. 40): in Wirklichkeit entsprechen sie einander gar nicht. Er spricht in diesem Zusammenhang von den Reflexionen eines spätklassischen Wandbildes, womit hier und auch sonst wohl ein Tafelbild gemeint ist.

  

          Eine größere Anzahl von Sarkophagen und Sarkophagfragmenten hat Themen aus der Orestie zum Gegenstand (12: S. 41-45), wozu auch mehrere Exemplare mit der Tötung von Ägisth und Klytämnestra gehören (12.1: S. 41-43; Kat. 53-56). Trotz der deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Stücken möchte sie der Verf. aufgrund der Gemeinsamkeiten auf einen gemeinsamen „Prototyp“ zurückführen, womit sich erneut die Frage stellt, was mit diesem Begriff gemeint ist. Die Nähe zu einer Gruppe von stadtrömischen Sarkophagen aus der Zeit von 140-160 n. Chr. hatte G. Koch auf den Einfluss dieser früheren stadtrömischen Exemplare zurückgeführt [7]; Oakley meint freilich, dass die attischen Sarkophage nicht einfach Kopien der stadtrömischen seien (S. 41). Die von ihm beobachtete große Ähnlichkeit des Fragmentes Kat. 56 mit den stadtrömischen Sarkophagen lässt sich angesichts der Geringfügigkeit des Fragments nur schwer nachvollziehen, würde aber eher für das Gegenteil sprechen. Ein wohl ungewolltes Aha-Erlebnis stellt die Feststellung des Autors dar, dass es unwahrscheinlich sei, dass der Sardonyx in Wien aus dem 1. Jh. n. Chr. von den Sarkophagen beeinflusst worden sei! (S. 42). Die einzige auf uns gekommene, aber heute verschollene Darstellung der Begegnung von Orest und Elektra am Grabe Agamemnons findet sich auf der rechten Nebenseite des Sarkophags Kat. 53 aus La Gayole (12.2: S. 43; Kat. 53). Für die Begegnung von Orest mit Iphigenie auf Tauris besitzen wir zwei Beispiele (12.3: S. 43-45; Kat. 53. 54), von denen besonders der fragmentierte Sarkophag aus Theben wegen der Parallelen mit dem Grabbau der Spectatier in Šempeter (Celeia, Noricum) von größtem Interesse ist. Die Übertragung der Szenen nach Noricum erfolgte mit Sicherheit nicht durch Gipsabgüsse, Buchillustrationen oder attische Sarkophage (S. 44), sondern durch Musterbücher [8]. Für die Kampfgruppe zwischen Orest und einem der Taurier meint Oakley, es sei derselbe Typus wie auf Amazonomachie- und Epinausimachie-Sarkophagen verwendet worden (S. 44), was wohl wieder Gruppenform oder Gruppenmotiv heißen sollte. Die Szene mit Orest und Pylades an einem Altar (12.4: S. 45; Kat. 58) auf der rechten Nebenseite des Sarkophags Kat. 58 konnte gleichfalls mithilfe des Grabbaus der Spectatier rekonstruiert werden.

 

          Darstellungen des Orpheus-Mythos haben sich auf der rechten Nebenseite eines Sarkophags Kat. 59 und auf dem Sarkophagfragment Kat. 60 erhalten (13: S. 45-46; Kat. 59. 60), wobei die Erweiterung der Szene auf der Vorderseite von Kat. 59 mit Sicherheit eine Quellnymphe und keine Flusspersonifikation zeigt (S. 46).

 

          Von den beiden bei Oakley angeführten Wiedergaben des Pelops-Mythos (14: S. 46-49; Kat. 17. 61) können die Fragmente Kat. 17 getrost ausgeschieden werden. Der Sarkophag Kat. 61 kann wohl in erster Linie wegen der Darstellung auf der Rückseite und auf der rechten Nebenseite auf den Pelops-Mythos bezogen werden. Die Vorderseite mit der Ankunft des Pelops findet sich in der antiken Kunst sonst nicht und ist ausgesprochen schwer zu deuten. Für die Wiedergabe der Hippodameia auf der rechten Nebenseite von Kat. 61 hat der Verf. ein klassisches Wandgemälde (!) als „Prototyp“ postuliert. Beim Zweigespann auf der linken Nebenseite kann es sich natürlich nicht um das zweite Pferdegespann aus dem Rennen handeln, da dort – so eben auf der Rückseite – Viergespanne als Rennwagen (und nicht als Streitwagen, so der Autor) verwendet wurden (S. 48). Sehr schlüssig ist der als Addendum zum Pelops-Sarkophag von S. Rogge vorgetragene Rekonstruktionsvorschlag (21: S. 62-65), dem man in allen Punkten zustimmen kann.

 

          Kapitel 15 behandelt den Sarkophag Kat. 62 mit dem Schicksal der Polyxena (15: S. 49-52; Kat. 62). Die Deutung der Szene und der einzelnen Figuren auf der Vorderseite des Sarkophags ist denkbar schwierig; ob der Anführer der Trojaner zur Linken Agamemnons wirklich Paris ist, erscheint angesichts des weiter rechts wiedergegebenen Trojaners mit phrygischer Mütze und Bogen, der ein Pferd führt, zweifelhaft. Die Zusammensetzung der Rückseite des Sarkophags Kat. 62 aus einem Fragment in Madrid und einem in Paris scheint thematisch nicht unproblematisch: wenn links auf dem Fragment in Madrid Ajax mit dem Leichnam Achills dargestellt ist, was einleuchtet, bleibt unklar, vor wem die Trojaner auf dem Fragment in Paris fliehen. Die linke Nebenseite wird von Oakley wohl richtig nicht als die nirgends literarisch überlieferte Hochzeit der Polyxena gedeutet [9], sondern als deren Opfer. Ein Sarkophag (Kat. 50) und vielleicht ein Sarkophagfragment (Kat. 63) sind dem Zug der Sieben gegen Theben gewidmet (16: 52-54; Kat. 50. 63), wobei die Deutung der einzelnen Helden auf der Vorderseite des Sarkophags Kat. 50 in Ermangelung von Attributen (bis auf Kapaneus mit der Leiter) schwierig ist. Im Einzelnen sei angemerkt: der Schild hinter der ersten Figur rechts liegt nicht am Boden, sondern steht auf dem Boden; dass die Köpfe der übrigen Figuren wie jener der dritten Person gleichfalls bekränzt waren, ist ein unstatthaftes argumentum ex silentio.

 

          Nur eine einzige Darstellung des Verlassens von Ariadne durch Theseus ist aus der attischen Sarkophagplastik erhalten (18: S. 55-56; Kat. 65); es ergibt sich die Frage, ob die liegende Ariadne auf dem Sarkophag Kat. 65 von dem in vier Repliken überlieferten Statuentypus der Ariadne im Vatikan abhängig ist oder beide Darstellungen von einem Vorbild aus der spätklassischen Tafelmalerei.

 

          Schließlich ist auch die Unterweltdarstellung auf dem Sarkophag Kat. 66 von erheblichem Interesse, während man die Fragmente Kat. 67 kaum hier einreihen kann (19: S. 56-59; Kat. 66. 67). Die Deutung der einzelnen Figuren auf der Vorderseite des Sarkophags ist recht mühsam und erscheint manchmal etwas arbiträr. Fest steht der Bezug der vier Figuren der rechten Seite der Sarkophagfront zur Coppa Corsini, womit als Vorbild ein wohl spätklassisches Tafelbild (nicht Wandgemälde!) nahegelegt wird. Bezüglich der linken sitzenden Figur, die von Oakley auf Minos gedeutet wird, spricht sich G. Koch als Erinys als ursprüngliche Deutung aus [10], während Oakley das irrig auf die gegenüber sitzende, ursprünglich wohl gleichfalls weibliche Figur bezieht (S. 57). Die Deutung der beiden Paare auf den Nebenseiten auf Minos und Dike durch E. Simon [11] kann weniger überzeugen als die von G. Hafner [12] auf das verstorbene Ehepaar; dabei spielt es m. E. keine Rolle, dass auf dem Klinendeckel nur die Frau dargestellt ist, die wohl die früher Verstorbene darstellt. Die beiden Eckfiguren in orientalischem Gewand sollten wegen ihrer Verdoppelung eher nicht auf Attis gedeutet werden [13].

 

          Für den zweiten Teil des Corpusbandes mit dem Katalog der 67 Nummern (S. 69-99) lässt sich generell sagen, dass die Beschreibungen bis auf einige, aus Platzgründen nicht einzeln aufgeführte Details sehr genau und gut nachzuvollziehen sind. Insgesamt kann die gesamte Anlage des Bandes durchaus gelobt werden; besonders gut ist die Qualität der 64 Tafeln, welche die Benützung des Corpusbandes sehr erleichtert.

 

 

[1] Vorausgegangen sind die Bände ASR IX 1,1 (S. Rogge, Die attischen Sarkophage. Achill und Hippolytos [Berlin 1995]); ASR IX 1,2 (C. Kinturp, Die attischen Sarkophage. Amaznonomachie – Schlacht – Epinausimachie [Druckvorbereitung]); ASR XII 6 (G. Koch, Die mythologischen Sarkophage. Meleager 160-184. 200 [Berlin 1975]). Ein ursprünglich geplanter Band zu den attischen Eroten- und Girlandensarkophagen von E. Papagianni ist nun anscheinend für die Sarkophag-Studien vorgesehen.

[2] D. Willers, Typus und Motiv. Aus der hellenistischen Entwicklungsgeschichte einer Zweifigurengruppe. - AntK 29 (1986) 137-150; ders.; Typus und Motiv. Aus der hellenistischen Entwicklungsgeschichte einer Zweifigurengruppe, in: Πανηγύρις συμφιλoλoγoύντων. Festschrift für Thomas Gelzer zum 60. Geburtstag am 29. Juni 1986 (Bern 1986); E. Pochmarski, Dionysische Gruppen. Eine typologische Untersuchung zur Geschichte des Stützmotivs, SoSchr ÖAI 19 (Wien 1990) 5-10.

[3] F. Brommer, Vasenlisten zur griechischen Heldensage ³(Marburg 1973) 109ff.

[4] Vgl. z. B. E. Pochmarski, Herakles und der nemeische Löwe auf einer Lekythos in Graz, in: Forschungen und Funde. Festschrift für B. Neutsch (Innsbruck 1980) 341-348.

[5] LIMC VIII (1997) 711f. (Th. Sengelin).

[6] G. Koch – H. Sichtermann, Römische Sarkophage. Handbuch der Archäologie (München 1982) 444 f.

[7] G. Koch – H. Sichtermann, Römische Sarkophage. Handbuch der Archäologie (München 1982) 403; G. Koch, Zu dem verschollenen    chen Sarkophag aus La Gayole, in: Imago antiquitatis. Religions et iconographie du monde romain. Mélanges offerts à Robert Turcan. (Paris 1999) 291-296.

[8] Vgl. E. Pochmarski, The influence of Attic and Roman workshops of sarcophagi on the Roman provincial reliefs of Noricum, HistriaAnt 19, 2010, 47-54; ders., Der Einfluss attischer und stadtrömischer Sarkophagwerkstätten auf die provinzialrömischen Reliefs von Noricum, in: Akten des Symposions „Les sarcophages romains: centres et periphéries – Sarkophage der römischen Kaiserzeit: Zentren – Provinzen, Paris, 2.-6.11.2005. Sarkophag-Studien 6 (Berlin 2012) 86-91.

[9] Vgl. G. Schwarz, Achill und Polyxena in der römischen Kaiserzeit, RM 99, 1992, 265-299; bes. 266.

[10] G. Koch – H. Sichtermann, Römische Sarkophage. Handbuch der Archäologie (München 1982) 417.

[11] LIMC I (1981) 485 Nr. 2 s. v. Aletes (E. Simon); Enciclopedia Virgiliana III (1987) 536 s. v. Minosse (E. Simon).

[12] G. Hafner, Iudicium Orestis. Klassisches und Klassizistisches, BWPr 113, 1958, 16.

[13] Vgl. G. Bauchhenß, Barbaren oder Attis, in: Akten des IV. Internationalen Kolloquiums über Probleme des provinzialrömischen Kunstschaffens, 8.-12.5.1995 [Ljubljana 1997] [Situla 36] 46-49; D. Dexheimer, Zur Deutung von Attisfiguren auf Grabaltären Oberitaliens, in: Die Maastrichter Akten des 5. Internationalen Kolloquiums über das provinzialrömische Kunstschaffen im Rahmen des CSIR [Hrsg. T.A.S.M. Panhuysen] [Maastricht 2001] 108-110; N. Cambi, Attis or someone else on funerary monuments from Dalmatia? in: Romanisation und Resistenz. Akten des VII. Internationalen Colloquiums über Probleme des provinzialrömischen Kunstschaffens, Köln 2.-6.5.2001 [Mainz 2003] 511-520.