Pirson, Felix (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft, Byzas 13, 195x275mm, 1200 gr., xx + 324 pp, b/w and color figures, ISBN: 9786055607753, 50,00 €
(Ege Yayinlari, Istanbul 2012)
 
Compte rendu par Maria Deoudi, Universität Erlangen - Nürnberg
 
Nombre de mots : 1230 mots
Publié en ligne le 2014-07-22
Citation: Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700).
Lien: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=1866
Lien pour commander ce livre
 
 

 

          Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Istanbul hat im Jahr 2005 den ersten Band der Schriftenreihe BYZAS verlegt. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und Teildisziplinen ist die archäologisch-kulturhistorische Entwicklung des kleinasiatischen Raums untersucht und vorgestellt worden. Vorliegende Publikation ist der neueste Beitragsband aus dieser Reihe, der beide Direktoren als Autoren und Herausgeber vorstehen.

 

          Den einzelnen Ausführungen ist ein “Vorwort und Einführung“ (S. VII – XX) von F. Pirson vorangestellt, der darauf aufmerksam macht, dass die insgesamt 15 Beiträge Resultat des wissenschaftlichen Netzwerks sind, das seit 2006 unter der Ägide des DAI Istanbul steht, wobei unter dem Oberbegriff, der auch als Titel des Bandes gewählt wurde, verschiedene Entwicklungsrichtungen des Stadtraums und der Landschaft in Kleinasien untersucht wurden. Pirson verweist weiter darauf, dass das Netzwerk der Abteilung des DAI in Istanbul an die Cluster-Forschung „Politische Räume“ des DAI in Berlin angegliedert ist. Die Beiträge greifen also aktuelle Forschungsrichtungen auf und sind in der hochaktuellen Wissenschaftslandschaft der deutschen Altertumswissenschaften zu verorten. Angesichts dessen ist es ein besonderes Verdienst der Herausgeber, dass bewusst jüngeren Archäologen eine Plattform geboten wird, sich hierzu zu äußern.

 

          Der erste Beitrag stammt von C. Wawruschka (S.1-24), welche die Siedlungsstrukturen im urgeschichtlichen Siedlungsraum der kilikischen Ebene untersucht. Auf der Grundlage des Rohstoffvorkommens und günstiger äußerer Parameter der einzelnen Siedlungsflächenentwickelt sich, so der Vorschlag der Autorin, eine regionale Hierarchisierung im Sinne der gateway communities.

 

          Diese Verknüpfung unterschiedlicher Informationsquellen, wie sie sie vorschlägt, bietet auf jeden Fall die Möglichkeit, die traditionell statische, zweidimensionale Kartographierung und Erfassung von Siedlungspunkten als dynamischen und damit fast dreidimensionalen Prozess zu erfahren. Allerdings liegt hier die Gefahr, moderne marktwirtschaftliche Kriterien und neuzeitliches Marktverhalten auf vorindustrielle Gesellschaften zu übertragen, die eventuell nach anderen und uns unbekannten Kriterien Hierarchien definierten.

 

          Es folgen drei Beiträge, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit Grenzen auseinandersetzen. Der erste Beitrag von J. Seeher („Natürliche und künstliche, unbewusste und beabsichtigte Landmarken: Menschliche Wahrnehmung und herrscherliche Betonung der Besetzung von Landschaft und Territorium“, S. 25-42) kann zeigen, dass Siegelbilder durch ihre Übertragung und Anbringung auf öffentlich sichtbaren Medien, wie auf Felswänden, neusemantisiert werden und als politische Symbole zum Einsatz kommen können. Der Machtanspruch des in diesem Fall hethitischen Herrschers des Großreichs wird durch die Anbringung des Siegelbildes auf dem Fels in den Raum projiziert, die somit Grenzen nach außen verdeutlicht und die Gemeinschaft in ihrem inneren Zusammenhalt stärkt. Der nachfolgende Aufsatz von M. Sommery mit dem Titel „Gedanken zur Wahrnehmung von Grenzen klassischer und hellenistischer Polis“ (S. 43-69) beleuchtet sehr eindrucksvoll, wie vielfältig Grenzmarkierungen in der Antike indes sein konnten, und dass diese keinesfalls auf bestimmte Denkmalgruppen zu beschränken sind, während M. Bachmann in seinem Beitrag mit dem Titel „Grenzen des Machbaren. Die Bewegung von Großlasten im Altertum“ (71-80) aufzeigt, dass auch technische Ingenieurleistungen gekonnt instrumentalisiert werden konnten, um Macht und Größe des Bauherrn zu zeigen (bes. S 79). Grenzlinien existieren nicht nur in horizontaler Ebene sondern eben auch in vertikaler.

 

          Eine weitere thematische Einheit bilden die Beiträge zur religiösen Topographie. Zuerst beschäftigt sich Z. Agelidis in einem Beitrag mit dem Titel „Die Positionierung von Heiligtümern als Ausdruck der Hierarchisierung von Stadtraum und Landschaft“ (S. 99-112) mit der Frage, inwieweit der Standort eines Heiligtums zur Hierarchisierung des Stadtraums dient. Die Autorin führt aus, dass man ein stringentes Muster nicht herausarbeiten kann, und die Wahl des Ortes nicht abschließend begründet und auch nicht zur Gliederung und einer regelhaften Hierarchisierung verwendet werden kann. Damit bestätigt sie die bekannten Forschungsergebnisse zu dieser Frage erneut.

 

          Im Gegensatz dazu aber ist die Anektion sub- oder extraurbaner Heiligtümer ein durchaus probates Mittel um den eigenen Anspruch auf das Land anderer Gemeinschaften zu unterstreichen. Die Einbindung von Heiligtümern anderer Poleis in das eigene Pantheon und die Ausrichtung der Kultfeiern schaffen neue Identitäten und Hierarchien. Vor allem definiert man die Grenzen des eigenen Territoriums neu, wie man am Beitrag von C. Wiliamson mit dem Titel „Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia“ (S. 113-150) sehen kann.

 

          Zwei unterschiedliche Aspekte der Stadtgliederung untersucht A. Filges. In seinem ersten Beitrag mit dem Titel „Natur als Bühne der Kultur?“ (S. 151-166) geht er der Frage nach, ob und auf welche Weise die Schwierigkeiten des Bauplatzes für die Darstellung des eigenen Könnens genutzt wurden. Dies lässt sich allerdings nicht stringent herleiten, da beim Bau einer Polis ganz unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden mussten, wobei die Überwindung der natürlichen Widrigkeiten kaum ein Hauptgrund sein konnte. Des Weiteren behandelt er die Frage der Binnengliederung der Polis. Als Tendenz lässt sich festhalten, dass es bessere und schlechtere Wohngebiete gab, was eine Hierarchisierung beinhalten kann, wobei der Kriterienkatalog, der dieser Bewertung zugrunde gelegt wird, insgesamt etwas uneinheitlich wirkt. Zur Beurteilung müsste man bei künftigen Überlegungen verstärkt auch die archäologische Überlieferung zu Rate ziehen, da sich daran durchaus auch die Klientel ablesen lässt, welche bestimmte Wohnbezirke für sich in Anspruch nahm. Bauweise und auch Bauphasen geben Hinweise auf die Bedeutung der Wohnviertel.

 

          Insgesamt vier Beiträge beleuchten unterschiedliche Aspekte der Stadt Pergamon. Im Beitrag von F. Pirson mit dem Titel ‚Hierarchisierung des Raumes? Überlegungen zur räumlichen Organisation und deren Wahrnehmung im hellenistischen Pergamon und seinem Umland“ (S. 187-232) kann der Autor aufzeigen, dass es eine deutliche Hierarchisierung des Stadtraums gab, die durch den Fluchtpunkt der Basileia vor allem eine weithin sichtbare Manifestation der Macht der Attaliden war. Diese Ausführungen können auch durch die Betrachtung einzelner öffentlicher Bauten zusätzlich untermauert werden. Ein Ausdruck der Macht ist sowohl das Große Gymnasium in Pergamon, wie V. Stappmanns in ihrem Beitrag mit dem Titel „… das Mögliche wirklich werden lassen“ (S. 233-250) darlegt. Ein ebenso sichtbares Machtsymbol ist die Basileia in Pergamon, wie T. Zimmers in seinen Ausführungen mit dem Titel „Zur Lage und Funktion der Basileia in Pergamon“ (S. 250-260) aufzeigen kann.

 

          Die Chiffren zur Darstellung von Macht, auch als Mittel der Selbstdarstellung, werden von der bürgerlichen Elite übernommen, wie man im Beitrag von M. Mathys mit dem Titel „Im Glanz der Attaliden. Aspekte der bürgerlichen Repräsentation im späthellenistischen Pergamon“ (S. 261-276) erfahren kann.

 

          Insgesamt gesehen zeigt sich anhand dieser Beiträge, dass das Instrumentarium zur Darstellung einer Hierarchie letztlich nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt ist, sondern auf mannigfaltige Weise adaptiert werden kann.

 

          Die beiden letzten Beiträge sind der nachantiken Zeit gewidmet. B. Böhlendorf-Arslan untersucht in ihren Ausführungen mit dem Titel „Byzantinisches Leben im Naturraum Troas: Siedlungsverdichtung vs. Einöde“ (S.277-298) ländliche Siedlungsstrukturen in der Troas und kommt auf der Grundlage archäologischer Surveys zum Ergebnis, dass sich Siedlungsaktivität an Ressourcenquellen und günstigen äußeren Parametern orientierte. Der letzte Beitrag „Die Bedeutung der osmanischen Holzhäuser für die Istanbuler Stadträume“ (S. 299-320) von M. Bachmann präsentiert wichtige und ausgesprochen interessante, bislang unveröffentlichte Forschungsergebnisse zu osmanischen Holzhäusern. Er kann aufzeigen, dass die Hausformen in ihrer inneren Aufteilung der Sozialstruktur der Bewohner Rechnung tragen und nach außen durch ihren Standort außerdem einen stark repräsentativen Charakter hatten.

 

          Insgesamt ein vielfältiger Band, der viel Neues vermittelt und aktuelle Forschungsrichtungen beleuchtet. Er steht dabei ganz in Tradition des DAI Istanbul, das sich der Erforschung der Türkei in einem sehr weiten chronologischen Rahmen verpflichtet sieht. Darüber hinaus gelingt es den Autoren in jedem einzelnen Beitrag ‚Raum‘ in seiner spezifischen kulturgeschichtlichen Dimension zu analysieren und aufzuzeigen, dass es ganz unterschiedliche raumgreifende Modelle gab, die auf ganz spezifische Weise eingesetzt werden konnten, um den jeweiligen Machtanspruch zu unterstreichen.