Egelhaaf-Gaiser, Ulrike - Pausch, Dennis - Rühl, Meike (Hrsg.): Kultur der Antike. Transdisziplinäres Arbeiten in den Altertumswissenschaften. 456 Seiten mit 44 s/w-Abb., ISBN: 978-3-938032-41-1, € 54,90
(Verlag Antike, Berlin 2011)
 
Compte rendu par Kordula Gostencnik, Universität Wien
 
Nombre de mots : 5187 mots
Publié en ligne le 2016-05-24
Citation: Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700).
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          Die vorliegende Publikation setzt sich zum Ziel, die vernetzte Anwendung von Teilgebieten der Klassischen Altertumswissenschaften, bereichert durch aktuelle Wissenschaftstheorien, auf dem Hintergrund konkreter Fallbeispiele darzustellen. Das Buch ist als Einführungs- und Arbeitsbuch für Studierende gedacht, aber auch als Anregung für Lehrende und alle Interessierten, die ihre Kenntnisse und ihre Art der Wissensvermittlung anhand erweiterter Perspektiven überprüfen wollen. Dass in dieser Publikation nicht das gesamte Feld der Klassischen Altertumswissenschaften umrissen werden kann, ist angesichts des erheblichen Umfangs und des enormen Spezialisierungsgrades innerhalb der Einzeldisziplinen wohl verständlich. Diese sind nicht nur in den Reihen der Kulturwissenschaften angesiedelt, sondern haben sich ebenso in Natur- und Rechtswissenschaften, Medizin, Technik usw. als eigenständige Forschungsrichtungen im Sinne von Grundwissenschaften etabliert, zu einem beachtlichen Teil zudem erst in jüngster Zeit. Ihre vernetzten Anwendungsmöglichkeiten, um materielle oder geistige Hinterlassenschaften der Vergangenheit in ihren vielfältigen Gestalten und Gestaltungen sicht- und wahrnehmbar zu machen und so "ganzheitlicher" auszuwerten, aber auch, um vermeintlich gesicherte Ergebnisse einer neuen Sichtweise zuzuführen, sind Gegenstand des zu besprechenden Bandes.

 

          Nach Inhaltsverzeichnis (S. 5-7), Vorwort (S. 9-13) und einleitendem Kapitel (S. 15-44) sind 16 einzelne Fallstudien zusammengestellt, die in vier Abschnitte zu je vier Beiträgen gegliedert sind (S. 47-453). Diese firmieren unter den Begriffen «A. darstellen», «B. repräsentieren», «C. fixieren» und «D. verweisen». Jedem Abschnitt ist eine kurze zweiseitige Vorbemerkung vorangestellt, dazu verfügt jeder Beitrag über eine weiterführende Auswahlbibliographie. Den Abschluss bildet das Autorenverzeichnis (S. 455 f.): Von den 17 Autorinnen und Autoren werden neunmal die Klassische Philologie, dreimal die Alte Geschichte, je zweimal die Klassische Archäologie und die Theologie/Religionswissenschaft, einmal die Archäologie der römischen Provinzen vertreten. Dass die archäologischen Disziplinen in der Minderzahl bleiben, ist wohl verantwortlich dafür, dass sich nur wenige Ansätze an Naturwissenschaften oder Technik orientieren.

 

          In «Vorwort: Konzept und Zielsetzung des Bandes» (S. 9-13) erfolgt die Darlegung der Beweggründe für die Zusammenstellung dieser Publikation: Aufgrund des immens hohen Spezialisierungsgrades kann «… eine Gesamtsicht auf die Kultur der antiken Welt nur durch eine enge und grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Fächer gewährleistet werden …» (S. 9). Der Versuch einer Erläuterung des Unterschieds der Begriffe ‹Interdisziplinarität› und ‹Transdisziplinarität› (S. 9 f.) will indes nicht so recht aufgehen bzw. ist der Erklärungsversuch des Begriffs ‹Transdisziplinarität› zu minimalistisch angelegt; damit fehlt es der Begriffsdefinition an Klarheit. Da sich der Band besonders an Studierende wendet, wäre hier auf jeden Fall einführende Literatur zu nennen gewesen1, zumal sich in den Theorien zur Transdisziplinarität, die als Begriff erst in den späten 1990er Jahren aufzutreten scheint, seither jedoch geradezu inflationär im Zusammenhang mit Forschung, Kunst etc. gebraucht wird, gleichfalls sehr kontroverse Auffassungen nicht nur hinsichtlich der Begriffsdefinition selbst abzeichnen. Soweit sich dem Vorwort entnehmen lässt, wird Interdisziplinarität eher als parataktische Aneinanderreihung zweier oder mehrerer Wissenschaftsdisziplinen verstanden, die mit ihren je eigenen Methoden Ergebnisse liefern, die dann in einer Gesamtauswertung verschränkt werden. Transdisziplinarität hingegen bedeutet ein vernetztes Arbeiten mit den Methoden mehrerer Disziplinen in unterschiedlicher Gewichtung, was durchaus auch von einer Einzelperson geleistet werden kann, welche dann aber über Grundwissen in mehreren Fachrichtungen verfügen muss, oder die unter der gleichen Prämisse in einem Team aus verschiedenen Fachrichtungen Anwendung findet. Wie im Vorwort formuliert, entspricht dieser Zugang «… eher der realistisch leistbaren Praxis » (S. 10), wobei aber die «… Rückbindung grenzüberschreitender kulturwissenschaftlicher Fragestellungen an die einzelnen Fachdisziplinen …» gefordert ist (S. 11). Leider vertreten die Herausgeber die Auffassung: «Die materialerschließenden und kommentierenden Einleitungen treten an die Stelle eines (deutlich puristischeren) Such- und Begriffsregisters, auf das, um Doppelungen zu vermeiden, bewusst verzichtet wurde» (S. 12). Angesichts der vielschichtigen Beiträge sind Sach-, Personen-, Orts- und Stellenregister allerdings unverzichtbar, da sich der Band wohl kaum von selbst erschließt.

 

          Der einleitende Beitrag des klassischen Philologen Manfred Landfester «Interdisziplinarität und Klassische Altertumswissenschaften: Begriff und geschichtliche Entwicklung » (S. 15-44) steckt den zeitlichen Rahmen für das klassische Altertum von 1300 v.Chr. bis 700 n.Chr. ab und bietet einen Überblick zur engeren und weiteren Systematisierung der einzelnen Fachrichtungen (S. 15 f.). Hier wäre S. 16 unter den Nachbardisziplinen unter anderem noch der Beitrag der Arabistik für die Altertumswissenschaften anzufügen, zumal, z.B. durch Übersetzungen griechischer Autoren ins Arabische, Texte bewahrt blieben, die im Original verloren sind2. Der Beitrag setzt sich mit der Evolution der einzelnen Disziplinen seit dem Humanismus bis in das frühe 20. Jh. auseinander und legt dar, dass Phasen isolierter Einzelbetrachtungen mit solchen wechseln, die für sich in Anspruch nehmen, ganzheitliche Darstellungen anzustreben (S. 17-30). Für die Fächer Klassische Philologie, Archäologie und Alte Geschichte (S. 30-38) skizziert der Autor schließlich die gegenwärtigen Ansätze und stellt fest, dass «… Ergebnisse, Theorien und Methoden der anderen Fächer produktiv eingesetzt werden können und müssen: Disziplinarität erfordert Interdisziplinarität» (S. 31). Während jedoch die Philologie hier differenziert zur Sprache kommt, bleiben die anderen Fächer eher vage. Zum Thema Archäologie (S. 36 f.) fokussiert der Autor sehr auf die antike Kunst- und Architekturgeschichte; die feldarchäologische Forschung mit ihrer stark inter- und transdisziplinären Methodik bleibt eine Randerscheinung. Daher ist auch die Bemerkung (S. 37), dass «… Künstler in beträchtlicher Zahl durch Signaturen vor allem auf Vasen namentlich bekannt [sind]» der Tatsache gegenüberzustellen, dass – zumal römische – Töpferstempel uns tausende Namen überliefern, die als lebende Personen ebenso unbekannt bleiben wie die genannten Künstler. Die in der englischsprachigen Forschung stärkere theoretische Ausrichtung wäre hierbei zu berücksichtigen gewesen, die zudem in diversen Einführungen die inter- und transdisziplinären Ansätze gerade in der archäologischen Feldforschung sehr deutlich zur Sprache bringt3. Ebenso bleibt die Alte Geschichte (S. 37 f.) farblos. Darüber hinaus wäre gemäß dem Buchtitel das Herausarbeiten respektive Gegenüberstellen von Interdisziplinarität und Transdisziplinarität in diesem Kapitel zu erwarten gewesen. Alles in allem macht der Beitrag jedoch deutlich sichtbar, dass ein fächerübergreifendes Arbeiten letztendlich keine neue Errungenschaft innerhalb der Altertumswissenschaften darstellt, sondern sich zu allen Zeiten als eine mehr oder weniger starke Notwendigkeit abzeichnet, die es im Bewusstsein zu halten und anzuwenden gilt. Unnötige Flüchtigkeitsfehler wären wohl vermeidbar: Anm. 6 ‹Borbei› statt richtig ‹Borbein›; richtig ‹Baudy 1995› (Anm. 30) und in der Bibliographie irrig ‹Bauty 1995›.

 

          Der folgende erste Abschnitt «A. darstellen» (S. 47-151) hat gemäß der Einleitung «… die Thematisierung charakteristischer Personen bzw. Personengruppen … in verschiedenen kulturellen Medien …» (S. 47) zum Inhalt. Matthias Recke untersucht in «Ruhm, Ehre, Leid. Das Bild des Kriegers in archaischer und klassischer Zeit» (S. 49-82), ob hinsichtlich der Allgegenwart des Krieges eine Wechselwirkung zwischen bildender Kunst und griechischer Tragödie erkennbar sei. Für die schwarz- und rotfigurige Vasenmalerei des 6./5. Jh. v.Chr. lässt sich eine Entwicklung ausgehend von der Darstellung gleichwertiger Gegner über die Andeutung im frühen 5. Jh. des Siegens und Unterliegens hin zu, ausgelöst durch die Erfahrungen der Perserkriege, blutigen Kämpfen der Kontrahenten und grausamen Handlungen an Zivilisten aufzeigen (S. 51-58). Nach den Perserkriegen verlieren diese Darstellungen dann rasch an Bedeutung. Während in der attischen Tragödie bei Aischylos (525/4-456 v.Chr.) noch eher der heroische Zweikampf erkennbar bleibt, ist insbesondere bei Euripides (485/4-406 v.Chr.) die gesamte Palette an kriegerischem Grauen und deren Folgen für die Bevölkerung in breitem Rahmen vorzufinden, wenn auch auf dem Hintergrund der Kämpfe mit Sparta (S. 60-68). Die öffentliche Kunst zeigt demnach erst um einiges später als die für den privaten Gebrauch produzierte Vasenmalerei eine kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Tagesgeschehen; der Einfluss der Tragödie auf die Vasenmalerei ist daher aus chronologischen Gründen nicht möglich (S. 68-73): «Es ist also nicht von einem unmittelbaren Wechselspiel der Bilder und themenverwandten Texte, sondern vielmehr von einem umfassenden mentalitätsgeschichtlichen Wandel auszugehen, der gleichermaßen Bilder wie Texte beeinflusst» (S. 69). Dem Kurzzitat ‹Muth› in Anm. 43 fehlt das Erscheinungsjahr 2008; für ‹Recke 2000› (S. 73) hält die Bibliographie das richtige Jahr 2002 bereit.

 

          Im zweiten Beitrag «Von Frauen erzählen ... Männlichkeit und Weiblichkeit in den römischen Grabinschriften» (S. 83-111), von Christian Ronning, werden epigraphische und literarische Quellen im historischen und, sofern überhaupt erhalten, archäologischen Kontext auf dem Hintergrund der Gender-Studies transdisziplinär betrachtet. Der Beitrag hat das Frauenbild in den römischen Grabinschriften zum Inhalt, das einen sehr stereotypen und traditionellen Kanon an Eigenschaften aufzählt, die dem Normverhalten im jeweiligen sozialen Stand entsprechen und wenig Raum für Individualität lassen. Und dennoch sind Abweichungen herauszulesen oder auch tatsächlich vorhanden, die der Autor in der Diskursanalyse und praxeologischen Herangehensweise an die Texte transparent werden lässt. Im Vergleich mit den gesellschaftlichen Normen und der normierten (Oberschicht-)Biographie des cursus honorum, welche Grabinschriften von Männern widerspiegeln, zeigt sich schließlich: «Die Formelhaftigkeit der Inschriften hat nicht beschreibende oder normierende …, sondern geradezu beschwörende Funktion. Sie soll hochindividuelle und tatsächlich variante Leistungen auf ein traditionelles Bild beziehbar halten, gesellschaftlichen Wandel hingegen weitgehend ausblenden» (S. 105). Männliches oder weibliches Verhalten des jeweils anderen Geschlechts wird, wie literarische Quellen zeigen, kritisch bewertet (S. 106 f.); das Thema Weiblichkeit respektive das Bild der Frau kann daher nur im gleichzeitigen Diskurs mit der Rolle der Männer begreifbar werden, zumal die Lebensgestaltungen beider verwoben bleiben: «… eine Geschichte der Frauen [muss] immer auch eine Geschichte der Männer sein … – und umgekehrt» (S. 107). In Anm. 36 steht nachlässig ‹Rizelli› anstatt korrekt ‹Rizzelli›; ‹Hemelrijk 2003› aus Anm. 49 ist, wie richtig in der Bibliographie, 2004 erschienen.

 

          Der dritte Beitrag «Philosophen, Mönche und Hetären. Die Apophthegmata Patrum im Schnittfeld von Theologie und Klassischer Philologie» (S. 112-128) von Thomas Johann Bauer beleuchtet die Adaptierung des Genres der antiken Philosophenbiographien für die Viten der frühchristlichen ägyptischen Anachoreten. Die ersten, spätestens zu Beginn des 5. Jh. entstandenen Sammlungen der „Vätersprüche“ in griechischer Sprache wurden gegen Ende desselben Jahrhunderts in geordneten Sammlungen einerseits alphabetisch nach deren Namen und andererseits nach systematischen Aspekten zusammengestellt (S. 114). Askese, eine besondere Berufungserfahrung und Lehrmeister der richtigen Lebensführung zu sein zeichnet Philosophen wie Mönche aus (S. 114 f.); ebenso findet sich das Motiv der (guten) Hetäre in unterschiedlichsten Formen im literarischen Werk oder in Anekdoten von bzw. über antike Philosophen. Die in das Zentrum der Untersuchung gestellte Erzählung über den Mönch Johannes Kolobos (ca. 339-409) und die Bekehrung der Hetäre Paësia wird exemplarisch auf dem Hintergrund antiker Literatur und neutestamentlicher Quellen hinsichtlich der Tradierung, Adaptierung und Transformierung der Motive aufgefächert (S. 117-125): «Die Apophthegmata Patrum … dokumentieren damit die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlich-kulturellen Veränderungen und Literatur» (S. 125). Die sich verändernden Lebenswelten zeigen das «… Fortleben der Antike im Christentum …» (S. 125) nicht zuletzt in dieser Fusion aus tradierten literarischen Gattungen und ihrer Anwendung auf zeitgenössische Protagonisten und Strömungen. In diesem Beitrag schwingt sehr klar mit, dass sich keine kulturgeschichtliche Epoche im luftleeren Raum ohne Bezug auf die Vergangenheit quasi neu erfinden kann. ‹Frank 1998› in Anm. 5, 8 und 16 meint wohl ‹Frank 1993› aus der Bibliographie; bei ‹Lilienfeld› in Anm. 9 ist das Jahr 1994 zu ergänzen.

 

          In «Aurelian in der Historia Augusta – ein Kaiser und seine Biographie zwischen Literatur- und Geschichtswissenschaft» (S. 129-151) setzt sich Dennis Pausch erneut mit einer überaus schwierigen Quelle auseinander, deren Entstehungszeit überwiegend um 400 n.Chr. angesetzt wird (S. 130). Während für die Alte Geschichte die in der Historia Augusta überlieferten Fakten als zweifelhaft gelten, solang sie nicht durch mindestens eine weitere, unabhängige Quelle gesichert sind (S. 145), zeigt der Autor, dass die Anwendung literaturwissenschaftlicher Methoden eine andere Sichtweise auf das Werk ermöglicht. Die als ‹unreliable narration› (Wayne Booth) bzw. ‹unglaubwürdiges Erzählen› (Ansgar Nünning in Erweiterung von Booth) apostrophierte Technik (S. 138) lässt vermuten, dass der antike Verfasser mit fingierten Dokumenten und Personen, widersprüchlichen Überlieferungen und unterschiedlichen Varianten der gleichen Ereignisse bei seiner Leserschaft bewusst Zweifel über die Vertrauenswürdigkeit der Darstellung aufkommen lassen wollte. Die Vita des von 270-275 regierenden Kaisers Aurelian bietet sich hierfür beispielhaft an. Bei Betrachtung der Einleitung (HA Aurel. 1,1-2,2), deren Text mit Übersetzung beigefügt ist (S. 150 f.), wird indes deutlich, dass man die enthaltenen Unklarheiten und wohl bewussten Irreführungen als Parodie auf die antike Geschichtsschreibung betrachten könnte, zumal der Auftraggeber der Aureliansvita dem fingierten Autor zugesteht so zu schreiben, wie er will, da er sich mit seinen «… Lügen in der Gesellschaft von Autoren befinden wir[d], die wir für ihre kunstvolle Darstellung der Vergangenheit bewundern» (HA Aurel. 2,2; Übersetzung nach S. 151). Der Hintergrund des Gesprächs, das Fest der Hilarien, wird sein Übriges dazu beigetragen haben, die geschilderten Ereignisse mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Dennoch musste die Leserschaft über ein fundiertes historisches und politisches Detailwissen verfügen, um die miteinander verwobenen Fakten und Fiktionen in dieser Kaisergeschichte auch als solche erkennen zu können, die sich – nicht nur zu Aurelian – teils über die gesamte Historia Augusta verstreut finden und um welche sich die moderne Forschung bemüht. An Flüchtigkeitsfehlern fallen auf: S. 134 vertippt ‹Vopsicus› anstelle von ‹Vopiscus›, ebenda in Anm. 13 ‹Hedlung› anstatt richtig ‹Hedlund›, S. 147 ‹Fischer 1927› wäre korrekt ‹Fisher 1929›.

 

          Den vier Beiträgen des zweite Abschnitts (S. 155-252), übertitelt mit «B. repräsentieren» (S. 155-252), schickt die Einleitung (S. 155 f.) zwei Gesichtspunkte als gemeinsame Klammer voraus: «Im einen Fall bedeutet repräsentieren ‹für etwas stehen›, im anderen Fall ‹etwas hermachen› im prägnanten Sinne der (Herrscher-)Repräsentation.» (S. 155). In «Der Quellenwert des Geldes für die Altertumswissenschaften» (S. 157-173) erläutert der Althistoriker Peter Franz Mittag in vier prägnanten Beispielen die Bedeutung der Numismatik als Grundwissenschaft und ihren Beitrag zur fächerübergreifenden Auswertung antiker Münzen. Im ersten Beispiel (S. 159-161) wird gezeigt, wie durch Zusammenarbeit von Numismatik, Indologie und Archäologie der nur aus Münzprägungen (datiert 139-137 v.Chr.) bekannte baktrische König Platon eingeordnet werden kann. Im zweiten (S. 161-164) folgt die Auseinandersetzung mit einer Tetradrachme Mithradates’ VI. von Pontos, dessen Avers- und Reversbilder mit zugehöriger Legende das politische Programm der Mithradatischen Kriege erschließen. Das dritte Beispiel (S. 164-168) fokussiert auf ein Silbermedaillon des Kaisers Constantinus I. aus Ticinum, das vielleicht in das Jahr 315 datiert und auf die Einweihung des Constantinsbogens aus Anlass des Sieges an der Milvischen Brücke 312 n.Chr. anspielen könnte, sofern die Deutungen des Bildprogramms und der Legenden auf Avers und Revers hierauf zu beziehen sind. Das letzte Exempel (S. 168-170) schließlich widmet sich den Münzfunden von Kalkriese, den kontroversiellen Deutungen des Schlachtortes der Varusschlacht und den Grenzen, mit welchen sich die Numismatik bei der Diskussion konfrontiert sieht. Zu Kurzzitaten und Bibliographie fallen auf: ‹Salomon 2005› aus Anm. 1 fehlt in der Bibliographie; bei den als ‹Karola – Nollé 1994› auf S. 171 und in der Bibliographie angeführten Autoren handelt es sich um Margret Karola Nollé und Johannes Nollé und müsste richtig ‹Nollé – Nollé 1994› lauten.

 

          Der nächste Beitrag «Heiligtum und Orakel der Fortuna Primigenia in Praeneste (Italien)» (S. 174-199), von Christa Frateantonio, setzt sich mit der imposanten Terrassenanlage in Palestrina 40 km südlich von Rom auseinander, dem größten bis dato bekannten sakralen Baukomplex des antiken Italien. In vier Fragestellungen, fußend auf Archäologie, Alter Geschichte, Philologie und Religionsgeschichte, versucht die Autorin die paradoxe Situation auszuloten, dass nur elf Erwähnungen von Heiligtum und Losorakel in der antiken Literatur sowie ca. 40 Inschriften (Weiheinschriften und Orakelkonsultationen) auf diese Kultstätte Bezug nehmen (S. 177), während etwa in Delphi tausende Inschriften gefunden wurden. Die endgültige Ausgestaltung des Heiligtums wird dem späten 2. Jh. v.Chr. zugeschrieben. «Die Römer wollten sich nicht von den Unwägbarkeiten fremder Prophetien über das Schicksal des römischen Volkes abhängig machen … vielmehr eignet man sich die Göttin mit einem eigenen Tempel [geweiht 194 v.Chr.] in Rom an» (S. 194); das für die Geschicke der Stadt Rom zuständige Orakel waren in der republikanischen Epoche vielmehr die Sibyllinischen Bücher, um deren Ersatz man sich nach dem Brand auf dem Kapitol 83 v.Chr. auch nachhaltig bemüht hatte (S. 193 f.). Mit Ausnahme Domitians und seiner jährlichen Befragung des Losorakels der Fortuna Primigenia (S. 189 f.), schenkten die römischen Kaiser der Mantik von Praeneste keine Aufmerksamkeit.

 

          Anja Klöckner arbeitet in ihrer Untersuchung «Mithras und das Mahl der Männer. Götterbild, Ritual und sakraler Raum in einem römischen ‹Mysterienkult›» (S. 200-225) mit Hilfe von altertums- und religionswissenschaftlichen Methoden sowie kulturanthropologischen und mentalitätsgeschichtlichen Ansätzen jene Differenzierungsmerkmale heraus, die den Mithraskult und seine Hinterlassenschaften von den gleichzeitigen Götterkulten abheben. So bieten Mithräen keine nach außen gerichteten Gestaltungsmerkmale, wohl aber lassen ihre Innenräume, die die immer gleichen Strukturelemente aufweisen, ein Mithräum im gesamten römischen Reich sofort als solches erkennen (S. 204-211) und sind als «… Orte der Erinnerung …» (S. 205 und Anm. 15) nicht mit der Präsenz des Gottes, sondern mit dem Gedächtnis an seine heilsbringende Tat verknüpft, was im gemeinsamen Mahl der Kultanhänger seinen Ausdruck findet. Beim Kultbild, das als Relief oder Wandmalerei zweidimensional gestaltet ist und als Hauptkomponente immer den stiertötenden Mithras darstellt, zeigt sich, dass «… bei Mithras im Vergleich zu anderen Gottheiten das Gewicht weg von der Präsenz, zur Seite der Re-Präsentanz verlagert [wird]» (S. 216). Schließlich lässt sich für den Mithraskult kurz zusammenfassen: «Am Gedenkort finden Gedenkhandlungen vor Gedenkbildern statt» (S. 217). In Abb. 1 wäre die Lage des Mithräums in der Domus delle Pareti Dipinte in Ostia, dessen Detailplan Abb. 2 zeigt, hervorzuheben gewesen, zumal die Verortung nach Region und Insula – III, I, 6 – weder im Text noch der Legende zu Abb. 2 genannt ist und der Grundriss sich im summarischen Stadtplan (Abb. 1) nicht erkennen lässt.

 

          Im vierten Beitrag «Spektakuläre Monumente: Martial und das Kolosseum» (S. 226-252) untersucht Helmut Krasser «… Amphitheater und amphitheatralische Inszenierung als einen komplexen kulturellen Kontext, der im Medium der Literatur reproduziert, inszeniert und reflektiert wird» (S. 226). Einen grundlegenden theoretischen Ansatz findet Krasser im Begriff der Performativität (ein spezielles Verhältnis zwischen Sprechen und Handeln). Die verschiedenen Ebenen der Interaktion und Kommunikation von Kaiser, Publikum und Akteuren in der realen Arena sowie die Ausstattungen der Spiele tragen nicht nur die kaiserliche Macht zur Schau, sondern lassen auch die Partizipation des Publikums an den Ressourcen dieser Macht erkennen, weshalb Krasser hierbei von einer «…Inszenierung des Imperiums …» (S. 228) sprechen kann. Alles das findet sich in Martials liber spectaculorum wieder. Hellenistische Herrschaftsinszenierungen und das ekphrastische Epigramm (Beschreibung von Gebäuden, Gegenständen oder Orten) lassen sich als Vorläufer betrachten (S. 232-236). Der Leser holt durch den Akt des Lesens die Inszenierung in die eigene Gegenwart und bringt sie gleichsam «… erneut zur Aufführung» (S. 243); er wird so zum Teil der «… dem Amphitheater innewohnenden euergetischen Inszenierung» (S. 249). In der Bibliographie vermisst man die Auflösung zu ‹Flaig 1992› von S. 228 und S. 249; ‹Wiedemann 1993› auf S. 228 und S. 249 ist laut Bibliographie 1992 erschienen, die dort zitierte deutsche Übersetzung allerdings im Jahr 2001. Und zu ‹Lauxtermann 1988› in Anm. 6 liefert die Bibliographie das richtige Erscheinungsjahr 1998.

 

          Der dritte Abschnitt mit dem Titel «C. fixieren» (S. 255-363) dreht sich laut Einleitung (S. 255 f.) um ein «… konservierendes oder dokumentarisches Festhalten …» und die Frage «… wie lange die Festlegung verbindlich bleibt und was sie vom Moment der Fixierung bewahrt» (S. 255). Aus dem ersten Beitrag «Papyrologie – Philologie – Alte Geschichte» (S. 257-277), von Peter Kuhlmann, wird besonders klar ersichtlich, wie hochgradig transdisziplinär in einem Fach, in diesem Fall in der Papyrologie, gearbeitet werden muss, damit überhaupt Ergebnisse erzielt werden. Im ersten Teil (S. 257-265) gibt der Autor zunächst eine Einführung in das Fach Papyrologie, um im zweiten (S. 265-274) die Methodik an einem konkreten Fallbeispiel zu veranschaulichen, der Constitutio Antoniniana und der Diskussion des Papyrus Gissensis Nr. 40 (P.Giss.Lit. 6.1). Die möglichen Ergänzungen des lückenhaften Textes erfordern die Vertrautheiten mit philologischer, althistorischer und rechtsgeschichtlicher Textanalyse, um zu einem konkreten Ergebnis zu gelangen. Berichtigt muss S. 270 die Ergänzung lauten «… hinter der Lücke zu einem τ …» (mit Punkt unter dem Buchstaben) anstatt irrtümlich λ, oder hinsichtlich der Zeitgenossenschaft Cassius Dios mit Caracalla S. 274 «… der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts …» und nicht der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts.

 

          Alfred Schäfer führt in seinem Beitrag «Überlegungen zur Votivreligion am Beispiel ritueller Deponierungen in Gruben» (S. 278-308) anhand der Grabungsergebnisse in einem mehrräumigen, römischen Kultlokal in Apulum (Rumänien) aus, welchen Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation archäologische Funde und Befunde unterliegen, wenn daraus Rückschlüsse auf Kultpraktiken gezogen werden sollen. Eine Weihinschrift, mehrere Reliefs und vier Marmorstatuetten lassen Liber Pater als Hauptgottheit erschließen (S. 284). Die Deponierung beträchtlicher Mengen an Gefäßkeramik in zwei großen Gruben aus der ersten Hälfte des 3. Jh.s, darunter Tafelgeschirr einer minderen Qualität mit Gebrauchsspuren, welches anscheinend nur für den Zweck eines Kultmahls und der nachfolgenden Deponierung und rituellen Zerschlagung verwendet wurde, darüber hinaus von Speiseresten sowie weiterer Gebrauchskeramik, und deren stratigraphische Kontexte (S. 290) zeigen, im Vergleich mit ähnlichen Anlagen, «… nicht allein Verfüllungen von Heiligtumsschutt, sondern auch Spuren von rituellen Aktionen …» (S. 293). Hier wäre eine Überblickstabelle mit der Fundstatistik zu den Gefäßen und deren Fundzahlen wünschenswert gewesen. Der von einer Mauer eingefasste, mehrräumige Komplex folgt wie die herangezogenen Parallelen keiner kanonischen Ordnung (S. 295). Die Abhandlung führt jedoch mit aller Deutlichkeit vor Augen, dass wesentliche Aussagen zu Kultpraktiken nur aus einer gewissenhaften Auswertung von Grabungsbefunden und der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen zu gewinnen sind. In der Bibliographie fehlt ‹Meyer-Reppert 2004› aus Anm. 54; ‹Schäfer 1997› aus Anm. 59 ist nach der Seitenangabe wohl der mehrfach zitierte Beitrag ‹Schäfer – Diaconescu 1997› aus der Bibliographie. Das Fach ‹Epigraphik› ist in den transdisziplinären Ansatz eingebunden; diese hat eigene Konventionen bezüglich der Zitierweise von Inschriftencorpora: Die Edition ‹Piso 2001› wäre als ‹IDR› (Inscriptiones Daciae Romanae) mit den entsprechenden Faszikel- und Katalognummern anzuführen.

 

          Der Beitrag «Troja im Weintropfen: Kriegserinnerung und alternative Erzählung in Ovids elegischen Kartenskizzen» (S. 309-335) von Ulrike Egelhaaf-Gaiser fokussiert auf die Rezeption des Trojamythos in augusteischer Zeit bei Vergil und Ovid. «… Schrift- und Bildkonstrukte des Erinnerungsorts Troja [sind] in augusteischer Zeit allgegenwärtig und vielstimmig» (S. 313). Ovid greift die bei Vergil vermittelte Geschichtsdeutung auf, und «[w]ährend Vergil Troja, Philippi und Rom in einer großräumigen Bürgerkriegslandschaft verortet hat, verdichtet Ovid dieses den ganzen Mittelmeerraum umspannende Schlachtgemälde zu einem vielschichtigen Vexierbild» (S. 331). Bei Ovid überlagern Vergils ‹Erinnerungsorte› Troja und Philippi einander – Egelhaaf-Gaiser bemüht hier die Metapher des Palimpsests – und lassen einen «… vielschichtigen Grabungshügel entstehen …» (S. 328 f.), der als Schlüssel für alternative Geschichtsdeutungen fungieren kann. Intertextualität, Intermedialität und Mentalitätsgeschichte bilden die parallelen Ausgangspunkte zur Entwicklung von Fragestellungen (S. 315). ‹Anz 2002› aus Anm. 23 wäre die Taschenbuchausgabe anstelle des Titels ‹Anz 1998› aus der Bibliographie, ‹Humphrey 2004› aus Anm. 26 trägt in der Bibliographie das richtige Jahr 2005, und zu ‹Spoth 1991› von S. 333 hält die Bibliographie das zutreffende Erscheinungsjahr 1992 bereit.

 

          Der letzte Beitrag in diesem Abschnitt «Das Zwölftafelgesetz zwischen Erinnerung und Geschichte» (S. 336-363), verfasst von Vera Binder, stellt ein besonderes Denkmal der römischen Rechtsgeschichte in den Mittelpunkt. Das Zwölftafelgesetz ist demnach «… weniger … Referenzwerk der Rechtsprechung denn … symbolischer Kristallisationspunkt römischer Identität» (S. 336). Dieser Befund wird unter dem Aspekt des von Pierre Nora entwickelten Begriffs ‹Erinnerungsort› betrachtet. Dies erklärt auch die in der römischen Literatur zu beobachtende Diskrepanz, wonach das Zwölftafelgesetz teils als nur mehr wenig relevant begegnet, teils diesem aber ein Zuwachs an Bedeutung beigemessen wird (S. 347 f.). Als Beispiele hierfür werden Ciceros de oratore aus dem 1. Jh. v.Chr. und die in den Digesten überlieferte Rechtsgeschichte des Sextus Pomponius aus dem 2. Jh. n.Chr. analysiert: «… mit Pomponius, ist das Zwölftafelgesetz endgültig zum Gegenstand der Rechtsgeschichte und die Rechtsgeschichte wiederum zum Erinnerungsort der Juristen geworden» (S. 359). In der Bibliographie fehlen ‹Manthe 2004› aus Anm. 23, ‹Halbwachs 1925› aus Anm. 43 und ‹Assmann 1999› aus Anm. 44; zum richtigen Kurzzitat ‹Nora 1998› in Anm. 44 gibt die Bibliographie irrig das Jahr 1993 an; ‹Harries 2007› aus den Anm. 27, 34, 35 und 54 ist gemäß der Bibliographie zu ‹Harries 2006› zu berichtigen.

 

          Dem vierten und letzten Abschnitt «D. verweisen» (S. 367-453) wohnt gemäß der Einleitung (S. 367 f.) der Gedanke des Hinweisens und Hinlenkens inne. Mario Baumanns Beitrag «‘Sie werden alles, was sie wollen‘: Performativität von Sprache in Aristophanes’ Komödie Die Wolken» (S. 369-392) untersucht den Wolkenchor «… und seine Eigenschaft, die Sprache zu verkörpern» (S. 375). Den theoretischen Ansatz dazu bieten die Performativitätskonzepte in den Kulturwissenschaften (S. 374 f.). In dieser Komödie ist «… das Wesen der Sprache zum Gegenstand gemacht …» (S. 387); eloquente Rhetorik ist gleichzusetzen mit politischer Macht, und die Alte Komödie ist eine aktive Teilnehmerin und sogar Gestalterin des politischen Diskurses (S. 388). Schließlich stellt sich dem Verfasser die Frage, ob auch narrative Texte von einem breiteren Konzept der Performativität beschrieben werden können (S. 389). Die Bibliographie wäre zu ergänzen um eine allgemeine Einführung in die antike Komödie4; ‹Wilson 2007› von S. 390 fehlt in der Bibliographie.

 

          «Gerstenbrei als Ehrenstrafe? Eine Fallstudie zum Zeichencharakter von Nahrung in der antiken Welt» (S. 393-412), von Werner Tietz, geht der unterschiedlichen semantischen Bedeutung von Nahrungsmitteln in verschiedenen kulturellen Kontexten – hier der griechischen und der römischen Welt – nach. Ausgangspunkt ist eine Textstelle bei Polybios (Pol. 6,38), der von der Bestrafung römischer Soldaten spricht, die sich im Kampf als untauglich erwiesen haben, daher einige Zeit außerhalb des schützenden Lagers kampieren mussten und darüber hinaus Gerste anstelle von Weizenrationen zubemessen bekamen. Polybios betrachtet dies als Ehrenstrafe und sieht in der «… Gerste ein erniedrigendes Nahrungsmittel» (S. 403 f.). Tietz kann jedoch zeigen, dass Gerste in Form des Grundnahrungsmittels puls in der Wertvorstellung der Römer dem hoch angesehenen mos maiorum zuzurechnen ist, die Soldaten daher nicht bestraft, sondern gleichsam durch eine Phase der Rückbesinnung auf die Tugenden der Vorfahren moralisch gestärkt werden sollten. Der Artikel regt einmal mehr dazu an, sich der unterschiedlichen Wertvorstellungen (vermeintlich) eng miteinander verflochtener Kulturen wie der griechischen und römischen bewusst zu sein und zeigt klar auf, wie Missverständnisse über die Kulturen hinweg entstehen können und tradiert werden. ‹Barlösius 1999› aus Anm. 3 trägt in der Bibliographie die falsche Jahreszahl 1990, ‹Vössing 2005› aus Anm. 7 ist tatsächlich, wie in der Bibliographie, 2004 erschienen, und zu ‹Davies 1971› aus Anm. 15 fehlt in der Bibliographie einmal mehr die Auflösung.

 

          Der Beitrag «Es war einmal ... ein Becher des Nestor. Probleme von Intertextualität und Intermedialität am Beispiel des Skyphos von Ischia» (S. 413-433), von Peter von Möllendorff, sondiert mit Hilfe der genannten Methoden eines der ältesten Sprachdenkmäler in einem griechischem Alphabet aus dem letzten Viertel des 8. Jh. v.Chr. (nicht des siebten, wie S. 413), das dreizeilige Epigramm auf einem Skyphos aus Pithekussai auf Ischia, das einen Trinkspruch zum Inhalt hat. Die Deutungen, die dieser Text seit seiner Auffindung 1954 erfahren hat, gruppiert der Autor von minimalistischen bis maximalistischen Zugängen, und bezüglich Letzterem sei geradezu ein «… das Genialische streifender Intellekt am Werk zu sehen» (S. 419), der im festgehaltenen Spruch die Welt des homerischen Epos mit jener eines Gelages im späten 8. Jh. v.Chr. zu verknüpfen verstand. Der Erinnerung an dieses Symposium diente der Skyphos als Medium; Schrift und Trinkbecher setzen sich in ihrer Intermedialität «… gegen ein anderes Medium und seine spezifische Materialität …» ab (S. 430). Dass die Gedankengänge aufgrund der Textlücken, die divergierende Ergänzungen zulassen, spekulativ bleiben, merkt der Autor am Ende seiner Ausführungen (S. 431) freimütig an.

 

          Den letzte Beitrag des Bandes steuert Meike Rühl bei: «Plautus und sein Publikum. „Ein Stoff mitten aus dem Leben“» (S. 434-453). Darin werden die Methoden des ‹New Historicism› auf Plautus’ Komödie Curculio angewendet. In mehreren ausführlich zitierten Textpassagen aus der Komödie wird anhand des aktuell im römisch-republikanischen Kontext (kulturelle, politische und soziale Kommunikation, aber auch Konsumverhalten) angesiedelten Stücks «[d]as Aufspüren von Diskursfäden, die aus dem Kontext in die Komödie hineinlaufen …» dahingehend untersucht, ob dies auch umgekehrt der Fall sei (S. 448). Der Befund «… am Ende bleibt doch alles beim Alten» (S. 448) ist letztlich aber kaum erstaunlich. Hinsichtlich der Quellenlage der zur Diskussion stehenden Epoche unterstreicht Rühl als wichtigen Aspekt, dass die meisten Berichte nicht von zeitgenössischen Autoren stammen (Livius, Plutarch); Interpretationen erfordern daher die Absicherung durch mehrfache Belege (S. 450).

 

          Was bei der Lektüre des Bandes negativ ins Auge springt, sind die häufig fehlenden Auflösungen und Flüchtigkeitsfehler bei den bibliographischen Angaben; diese hätten einer sorgfältigeren Abschlussredaktion bedurft. Nicht einheitlich gehandhabt sind z.B. auch die antiken Textzitate, die teils in Griechisch und Latein mit Übersetzungen, teils nur in Originalsprache oder nur in Übersetzung beigegeben sind. Dass das Nachschlagen aufgrund fehlender Register überaus erschwert ist, wurde eingangs bereits bemerkt.

 

          Will man den Band abschließend kurz skizzieren, wäre die ‹Entdeckung des Selbstverständlichen› jene Charakterisierung, die wohl am meisten zutrifft, dies aber auf allen Ebenen im positiven Sinn: Keine einzige Wissenschaftsdisziplin kommt allein nur mit ihren eigenen Methoden und Ergebnissen zu neuen Erkenntnissen. Dies sollte allen Studierenden von Anfang an klar gemacht werden, und diesem Anspruch wird der Band in seinem ganzen Umfang gerecht. In dieser Hinsicht ist er gewiss mehr als eine allgemeine Einführung in die Thematik. Die Auswahl an Themen, Methoden und Fragestellungen obliegt letztlich dem Herausgeberteam und den einzelnen Autorinnen und Autoren. Der Großteil der Beiträge ist klar und verständlich formuliert, und man merkt den Texten die Freude und bisweilen den regelrechten Enthusiasmus an, mit welchem zu Werke gegangen wurde. Die Beiträge sind bezüglich der nötigen Vorbildung unterschiedlich anspruchsvoll ausgerichtet und reichen bis hin zur Anforderungen, die breit gefächerte, fortgeschrittene Kenntnisse voraussetzen; dies macht den Band sicherlich für eine größere Leserschaft nicht nur innerhalb der Altertumswissenschaften interessant. Wenn er, wie im Vorwort (S. 12) angemerkt, zum Fragen motivieren soll, so hält der darin aufbereitete Stoff reichliches Anschauungsmaterial dafür bereit. Der Band sollte daher in keiner Bibliographie zu Grundlagen, Methodik und Zielen in den Altertumswissenschaften fehlen.

 


 


1 Vor dem Erscheinungsjahr 2011 z.B. Ph. W. Balsiger, Transdisziplinarität. Systematisch-vergleichende Untersuchung disziplinübergreifender Wissenschaftspraxis (München – Paderborn 2005); G. Hadorn-Hirsch – H. Hoffmann-Riem – S. Biber-Klemm – W. Grossenbacher-Mansuy – D. Joye – Ch. Pohl – U. Wiesmann – E. Zemp (Hrsg.), Handbook of Transdisciplinary Research (Heidelberg 2008).

2 Vgl. etwa D. Gutas, Greek Thought, Arabic Culture. The Graeco-Arabic Translation Movement in Baghdad and Early ῾Abbāsid Society (2nd-4th / 8th-10th centuries) (London 1998)

3In der aktualisierten siebenten Auflage C. Renfrew – P. Bahn, Archaeology. Theories, Methods and Practice (London7 2016); hinsichtlich der Auswertungsmethoden auch Th. Fischer, Die römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie (Stuttgart 2001).

4Vgl. in überarbeiteter Neuauflage B. Zimmermann, Die griechische Komödie (Berlin 2006).

 


 

 

Inhalt

 

Vorwort: Konzept und Zielsetzung des Bandes (S. 9-13)

 

 Manfred Landfester

 Interdisziplinarität und Klassische Altertumswissenschaften:

 Begriff und geschichtliche Entwicklung (S. 15-44)

 

 A. darstellen

 

 Einleitung (S. 47 f.)

 

 Matthias Recke

 Ruhm, Ehre, Leid. Das Bild des Kriegers in archaischer und klassischer Zeit (S.49-82)

 

 Christian Ronning

 Von Frauen erzählen ... Männlichkeit und Weiblichkeit in den römischen

 Grabinschriften (S. 83-111)

 

 Thomas Johann Bauer

 Philosophen, Mönche und Hetären. Die Apophthegmata Patrum im Schnittfeld von Theologie und Klassischer Philologie (S. 112-128)

 

 Dennis Pausch

 Aurelian in der Historia Augusta – ein Kaiser und seine Biographie

 zwischen Literatur- und Geschichtswissenschaft (S. 129-151)

 

 B. repräsentieren

 

 Einleitung (S. 155 f.)

 

 Peter Franz Mittag

 Der Quellenwert des Geldes für die Altertumswissenschaften (S. 157-173)

 

 Christa Frateantonio

 Heiligtum und Orakel der Fortuna Primigenia in Praeneste (Italien) (S. 174-199)

 

 Anja Klöckner

 Mithras und das Mahl der Männer. Götterbild, Ritual und sakraler Raum in einem römischen ‹Mysterienkult› (S. 200-225)

 

 Helmut Krasser

 Spektakuläre Monumente: Martial und das Kolosseum  (S. 226-252)

 

 C. fixieren

 

 Einleitung (S. 255 f.)

 

 Peter Kuhlmann

 Papyrologie – Philologie – Alte Geschichte (S. 257-277)

 

 Alfred Schäfer

 Überlegungen zur Votivreligion am Beispiel ritueller Deponierungen in

 Gruben (S. 278-308)

 

 Ulrike Egelhaaf-Gaiser

 Troja im Weintropfen: Kriegserinnerung und alternative Erzählung in Ovids  elegischen Kartenskizzen (S. 309-335)

 

 Vera Binder

 Das Zwölftafelgesetz zwischen Erinnerung und Geschichte (S. 336-363)

 

 D. verweisen

 

 Einleitung (S. 367 f.)

 

 Mario Baumann

 «Sie werden alles, was sie wollen». Performativität von Sprache in

 Aristophanes’ Komödie Die Wolken (S. 369-392)

 

 Werner Tietz

 Gerstenbrei als Ehrenstrafe? Eine Fallstudie zum Zeichencharakter von

 Nahrung in der antiken Welt (S. 393-412)

 

 Peter von Möllendorff

 Es war einmal ... ein Becher des Nestor. Probleme von Intertextualität und Intermedialität am Beispiel des Skyhpos von Ischia (S. 413-433)

 

 Meike Rühl

 Plautus und sein Publikum. «Ein Stoff mitten aus dem Leben» (S. 434-453)

 


N.B. : Kordula Gostencnik réalise actuellement une thèse de doctorat à l'université de Vienne sous la direction de Verena Gassner.