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Compte rendu par Sabine Witt, Museum Charlottenburg-Wilmersdorf/Villa Oppenhei, Berlin Nombre de mots : 1887 mots Publié en ligne le 2017-11-22 Citation: Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700). Lien: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=2535 Lien pour commander ce livre
1885 wurde das Rijksmuseum in Amsterdam eröffnet. Entworfen hatte das seinerzeit größte Gebäude in den Niederlanden der Architekt Pierre (eigentlich Petrus Josephus Hubertus) Cuypers (1827-1921). Er entwickelte gemeinsam mit dem Kunstbeauftragten Victor des Stuers und dem Autor und Philosoph Joseph Alberdingk Thijm das Konzept eines Nationalmuseums für niederländische Kunst und Geschichte. Damals am Stadtrand gelegen, fungierte der Bau auch als ein Portal für die südwestlichen Erweiterungsgebiete Amsterdams. Heute sind das Museum und der ihm vorgelagerte Platz, der Museumsplein, das kulturelle Zentrum der Metropole.
Während des vergangenen Jahrhunderts ging die Klarheit des Konzepts von Cuypers durch viele bauliche Veränderungen verloren: Zwischen 1904 und 1916 war das Museum um einen Trakt, den sogenannten Philippsflügel, erweitert worden, in dem die Kunst des 19. Jahrhunderts präsentiert wurde. In den 1950er und 1960er Jahren wurden die beiden Innenhöfe des Hauptbaues überdacht und in das Gebäude integriert, um zusätzliche Ausstellungsfläche für die inzwischen bedeutend erweiterten Sammlungen zu gewinnen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entsprach das Gebäude zudem hinsichtlich der Präsentation, der Besucherführung und der konservatorischen Bedingungen nicht mehr den modernen Anforderungen eines Museums, das sich stetig wachsender Besucherzahlen erfreut(e).
Nach mehr als einem Jahrhundert Nutzung erfuhr das Museum zwischen 2003 und 2013 die jüngste Veränderung. Sie lässt sich als ein „Zurück zu den Ursprüngen“ – präziser: als ein „Continue with Cuypers“ – bezeichnen, wie es die für den Umbau verantwortlichen spanischen Architekten Antonio Cruz und Antonio Ortiz nannten: Eine Wiederbesinnung auf Cuypers Konzept des Rijksmuseums als Gesamtkunstwerk, bei dem die äußere Gestalt, die Raumstruktur und die Innendekoration mit den umgebenden Gartenanlagen eine Einheit bilden. Auf Grundlage dieser Idee sollte das in der Zwischenzeit bedeutend erweiterte Museum restauriert und konzeptionell weiterentwickelt werden, und zugleich modernste konservatorische und museumstechnische Standards erfüllen. Im Ergebnis präsentiert sich das 2013 wiedereröffnete Museums als „restored to future glory“, wie der Generaldirektor Wim Pijbes sein Vorwort betitelt. Die Darstellung dieses „neuen Rijksmuseums“ in seiner äußeren und inneren Gestalt sowie seines Ausstellungskonzeptes sowie eine Erläuterung des Restaurierungskonzepts sind der Anlass der 2015 von der Amsterdam University Press herausgegebenen Publikation.
Der mit gerade einmal 96 Seiten eher schmale, dafür reich illustrierte Band versammelt insgesamt zehn Kurzbeiträge in englischer Sprache. Zu Wort kommen die verschiedenen Akteure der Renovierungskampagne. Nach dem Vorwort des Generaldirektors und des für Regierungsbauten verantwortlichen Architekten Frits van Dongen erläutern zunächst Cruz y Ortiz arquitectos (S. 12-29) ihr bauliches Konzept: Um soviel wie möglich von Cuypers ursprünglichen Raumkonzept wiederzugewinnen, war ein Rückbau der meisten zwischenzeitlich erfolgten Einbauten erforderlich. Dies betraf insbesondere die beiden Innenhöfe, die nun mit abgesenktem Bodenniveau und miteinander verbunden als großzügiges Entree und als Raum für Serviceeinrichtungen des Museums mit Museumsshop, Garderobe und Café dienen. Cruz y Ortiz’ Umbau erschöpfte sich gleichwohl nicht darin, den einstigen Zustand von Cuypers Bau wiederherzustellen. Schließlich steht ein Museum im 21. Jahrhundert vor gänzlich anderen technisch-organisatorischen Anforderungen als noch 1885. Die Grundidee des Rijksmuseums, ein Nationalmuseum mit herausragenden kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen zu sein und städtebaulich als Eingangstor zu den südwestlichen Stadtteilen Amsterdams zu fungieren, ist jedoch noch heute gültig. Dem trug Cuypers damals mit der Passage, d.h. der Unterfahrt durch den Gebäuderiegel Rechnung. Auch fand er für die Nord- und die zu den Gartenanlagen hin orientierte Südfassade unterschiedliche Gestaltungslösungen. Erstere ist als der Stadt zugewandte Fassade streng symmetrisch gestaltet, basierend auf einem Raster von 5m x 5m. Die Südansicht hingegen folgt mit ihren verschiedenen Vor- und Rücksprüngen, An- und Erweiterungsbauten, darunter einem Villenbau für die Bibliothek und einer Zeichenschule, dem spätromantischen Stilmotiv der Variatio – eine Formensprache, die letztlich auf die Stil- und Rhetoriklehre der Antike zurückging und in der Ära Cuypers hoch im Kurs stand. Für die Raumkonzeption im Innern bedeutete die Passage, dass der Zugang und das Haupttreppenhaus seitlich angeordnet werden mussten und nicht, wie zumeist bei Repräsentationsbauten die Mittelachse des Gebäudes markierten. Für die Aufteilung der Räume orientierte sich Cuypers an dem Raster der Nordfassade und entwarf ein quadratisches Grundmodul von ebenfalls 5 x 5m, welches auch Cruz y Ortiz als praktikabel anerkannten und nun wieder aufgriffen.
Patrick Spijkerman ist im Band mit mehreren Kurzbeiträgen vertreten. Unter dem Titel „New Museum in the Rijksmuseum“ (S. 30-35) widmet er zunächst einen Beitrag dem 2014 wiedereröffneten Philippsflügel. Für die Restaurierung dieses Erweiterungsbaus zeichneten ebenfalls Cruz y Ortiz verantwortlich. Zwischen 1904 und 1916 war der Trakt für die Sammlung des 19. Jahrhunderts errichtet worden, heute bietet er Raum für Wechselausstellungen sowie für die Gastronomie. Der Flügel beherbergt daneben auch mehrere Fragmente bedeutender historischer Bauwerke wie die sogenannte Mauer von Breda, den ersten Renaissancebau nördlich der Alpen, ferner den Treppenturm Ockingastin aus Franeker oder ein Stadttor aus Gorinchem.
Ein zweiter Beitrag von Spijkerman erläutert das Außengelände und die Gartengestaltung des Museums (The green outdoor gallery, S. 50-60). Dem schließen sich Lage- und Grundrisspläne sowie Aufrisse des neuen Rijksmuseums an (S. 60-69). Übersichtlich und mit sparsamen Legenden ausgestattet, sowie durch einen grauen Fonds von den übrigens Seiten des Bandes abgesetzt, erleichtern sie es dem Leser, sich innerhalb des Baukomplexes und der beschriebenen Raumfolgen zu orientieren.
Rasch werden das Konzept und der Anspruch der vorliegenden Publikation offenbar, die das „neue Rijksmuseum“ vor allem visuell vorstellt: Die überwiegend knappen Texte erläutern und kommentieren vorrangig die zahlreichen Abbildungen von Ausstellungsräumen, Raumfolgen oder von Sammlungsobjekten. Beispielsweise umfasst der Beitrag von Spijkerman zum „New Museum in the Rijksmuseum“ eine Textseite, welche drei ganzseitigen und einer doppelseitigen Illustrationen vorangestellt ist. Insgesamt enthält der Band rund 80 Abbildungen in durchgängig hervorragender Bildqualität, darunter einige schwarz-weiß-Fotografien des Cuypers-Baues sowie elf Planzeichnungen.
Cees W. de Jong fungiert gemeinsam mit Patrick Spjkerman als Herausgeber des Bandes. Ein wenig vollmundig ist sein Beitrag mit „The collection“ überschrieben, denn die Sammlung des Rijksmuseum darzustellen, kann und will der schmale Band mitnichten leisten. Vielmehr werden nach einem Abriss der Sammlungs- und Baugeschichte elf (!) Werke in fast ganzseitigen Abbildungen mit kurzen Erläuterungen vorgestellt: Darunter findet sich – natürlich – Rembrandts berühmte Nachtwache, das Selbstporträt Vincent van Goghs, Jan Vermeers Gemälde eines Milchmädchens und das Retabel „Die Heilige Sippe“, geschaffen von Geertgen tot Sint Jans, der als Begründer der nordniederländischen Malerei gilt. Ebenso abgebildet werden Jan Toorops Werbeplakat für Delfter Salatöl, eine der zahlreichen Darstellungen des Fuji von Hokusai, ein Hochzeitskleid aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und ein Miniaturpuppenhaus, dazu aus der Blütezeit Hollands als Seemacht das Modell eines holländischen Kriegsschiffes von 1698, sowie schließlich eine Darstellung der Hindu-Gottheit Shiva aus dem 12./13. Jahrhundert. Die Auswahl macht deutlich, dass diese elf Werke stellvertretend für die verschiedenen Sammlungsbereiche bzw. Sammlungsschwerpunkte des Rijksmuseums stehen, die sich nach der Wiedereröffnung nun auch neu geordnet präsentieren: Cruz y Ortiz führten die im Obergeschoss des Mitteltraktes – somit im Herzen des Gebäudes - gelegene Ehrengalerie wieder auf den ursprünglichen Zustand zurück. An den Meisterwerken der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts entlang defilieren die Besucherinnen und Besucher nun wieder durch den Mitteltrakt des Gebäudes auf das wohl bekannteste Werk des Museums, Rembrandts Nachwache, zu. Statt der vorherigen Aufteilung nach Gattungen – Malerei, Grafik, Skulptur, Kunstgewerbe u.a. – folgt die Präsentation jetzt einer stringenten Chronologie, bei der Gemälde, Skulpturen, Grafiken, Kunsthandwerk oder Alltagsgegenstände zusammen gezeigt werden. Die Sammlung fernöstlicher Kunst findet im asiatischen Pavillon ihren Platz.
Das Museum als „ weltliche Kathedrale (secular cathedral)“ würdigt anschließend ein Beitrag von Wies van Leeuwen (S. 70-79). Ausführlicher erläutert er Cuypers Idee des „Gesamtkunstwerks“, in dem (Außen-)Architektur und (Innenraum-)Gestaltung eine Einheit bilden und worin sich zugleich der Zweck des Gebäudes nach außen in den Stadtraum spiegelt. Insbesondere geht er dabei auf die Innendekoration aus ornamentalen Wanddekors, Glasmalereien und Wandgemälden ein. Ihnen und ihrer teils sehr aufwendigen Restaurierung widmen sich auch die folgenden Beiträge: Zunächst geht auch Patrick Spijkerman auf die Ornamentik (Ornaments restored to former glory, S. 80-85), dann vor allem auf die im Zuge der Renovierung wiederentdeckten und nun restaurierten Wandgemälde des österreichisch-niederländischen Historienmalers Georg Sturm (1855-1923) ein (Georg Sturm rediscovered, S. 86-91). Ein Beitrag von Anne van Grevenstein, vormalige Leiterin der Stiftung Restaurierungsatelier Limburg, über das kulturelle Erbe des Rijksmuseum (Cultural heritage, S. 92-93) schließt den Band ab.
Zwischen 1882 und 1900 schuf Georg Sturm insgesamt 70 Gemälde auf Leinwand von teils beachtlichen Maßen, die größten von ihnen messen ca. 4m x 4m. Von ihnen schmückten 32 Wandbilder mit Darstellungen der Künste und Personifikationen von Kunsthandwerkern (Architektur, Bildhauerei, Malerei, aber auch Schmiede, Textilgestalter, Fayencemaler oder Tischler) die Ehrengalerie, 38 weitere mit allegorischen und Tugenddarstellungen bestimmten das Raumprogramm der Großen Halle. Etwa um 1915 wurden sie jedoch von den Wänden abgenommen und zum Teil unsachgemäß gelagert. Sie waren und sind nicht Teil der Museumssammlung, sondern integraler Bestandteil des Bauwerks selbst. Wiederhergestellt wurde nun vor allem die monumentale historische Raumfassung in den Haupträumen, also in der Großen Halle und der Ehrengalerie, in der Bibliothek sowie in der ehemaligen Eingangshalle und den beiden Treppenhäusern. Spijkerman wie auch van Grevenstein heben dabei die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit hervor. Diese verfolgte das Ziel, aus möglichst vielen Archiv- und Bildquellen sowie anhand von restauratorischen Befunden ein umfassendes Bild von der einstigen Raumfassung des „Gesamtkunstwerkes Rijksmuseum“ zu erhalten, um auf dieser Grundlage die Restaurierung vornehmen zu können. Dabei wurden bewusst auch Studenten und Nachwuchsrestauratoren von der Stiftung Restaurierungsatelier Limburg (SARL) in historischen Arbeitstechniken geschult und in das Projekt eingebunden. Die Restaurierung geschah außerdem unter Augen der Öffentlichkeit in einem Studio des Bonnefantenmuseums in Maastricht. Als Resultat gelang nicht nur eine äußerst gelungene Wiederherstellung und Weiterführung von Cuypers Konzept des Gesamtkunstwerkes – „continue with Cuypers“ – sondern auch eine sehr erfolgreiche, fruchtbare Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, von Architekten, Direktoren, Kuratoren, Restauratoren und anderen Forschern.
Insgesamt überzeugt die Publikation durch knappe, erläuternde Texte und eine anspruchsvolle, visuelle Darstellung des „neuen Rijksmuseums“. Auf einen wissenschaftlichen Anhang, Anmerkungen oder weiterführende Literatur verzichtet der Band. Er wendet sich vielmehr an ein breites Museums- und Lesepublikum, welches das Museum nicht nur als Tempel von Kunstschätzen besucht, die weltweit ihresgleichen suchen, sondern mehr über das Gebäude, seine Historie und sein Konzept als Nationalmuseum erfahren will. Zugleich begründet die Publikation die konzeptionellen und gestalterischen Entscheidungen der jüngsten Bau- und Restaurierungskampagne, die sich auf das ursprüngliche Konzept Pierre Cuypers beriefen. Sie gewährt somit auch Nicht-Museumsfachleuten einen Einblick in den Entscheidungs- und Bauprozess, was etwa in den Beiträgen zur Restaurierung besonders gelungen ist. So werden am Beispiel der Wandgemälde Georg Sturms die vorherige Lagerung, die dadurch entstandenen Schäden und die Lösungs- und Restaurierungsmaßnahmen sehr verständlich erläutert (z.B. S. 88). Auch die fotografische Gegenüberstellung der Ausstellungsräume einst und jetzt, in Schwarz-weiß-Fotografien der Museumssäle mit enger Hängung der Kunstwerke und in aktuellen Aufnahmen zeigt, wie wertschätzend und durchdacht die heutige Präsentation ist.
Dennoch scheint die Aufteilung des Bandes in so viele Kurzbeiträge nicht immer stringent: Oft ergeben sich dabei auch Redundanzen, wenn etwa die Werke Georg Sturms oder das Konzept des Gesamtkonzepts mehrfach erläutert werden. Andererseits vermisst der Leser einige grundlegende Informationen zu Beginn. Warum erhält er beispielsweise erst auf S. 37 einleitend zu den Objekten der Sammlung einen Überblick über die Umbau- und Sammlungshistorie des Museums? Und obwohl die ganze Publikation auch um die Person Pierre Cuyper kreist, werden seine Lebensdaten nirgends genannt. Sie muss der Leser selbst nachrecherchieren, um die Aussage, die „Wandgemälde von Georg Sturm wurden bald nach Cupyers Tod abgenommen“ zeitlich genauer einordnen zu können. Gleichwohl: Der Freude auf den nächsten Besuch des alten/neuen Rijksmuseums tut dies keinen Abbruch.
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Éditeurs : Lorenz E. Baumer, Université de Genève ; Jan Blanc, Université de Genève ; Christian Heck, Université Lille III ; François Queyrel, École pratique des Hautes Études, Paris |