Gogos, Savas: Die antiken Odeia von Athen (Phoibos Humanities Series 3). 110 S., 114 S/W-Abb. und Pläne; 29,7 x 21 cm. ISBN 978-3-85161-129-8, 45 €
(Phoibos Verlag, Wien 2015)
 
Compte rendu par Erwin Pochmarski, Universität Graz
 
Nombre de mots : 2234 mots
Publié en ligne le 2017-09-27
Citation: Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700).
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          Der Autor, der vor allem durch seine zahlreichen Publikationen zu griechischen Theaterbauten bekannt ist[1], hat sich in der vorliegenden Publikation den drei Odeia Athens aus griechischer bzw. römischer Zeit gewidmet. In der Einleitung (7-8) stellt G. fest, dass der Terminus Odeion in der Antike nicht vor dem 5. Jh. v. Chr. verwendet werde und dass bis 100 v. Chr. nur wenige Bauwerke so bezeichnet würden; in erster Linie sei das Odeion des Perikles an der SO-Seite der Akropolis mit diesem Begriff gemeint. Der von diesem Odeion vertretene Bautypus sei die hypostyle Halle. Zugleich weist er auf die Anpassung des Bouleuterions an diesen Typus hin, wobei dessen Typologie wichtige Faktoren für die Erforschung der Elemente des Odeions der römischen Zeit liefere.

   

         Im 1. Teil der Arbeit befasst sich der Verf. mit der Architekturform und der typologischen Entwicklung des Odeions (9-19), wobei er an erster Stelle auf den Bautypus des Bouleuterions zu sprechen kommt (9-12). Ausgangspunkt sind dabei das Alte und das Neue Bouleuterion auf der Agora von Athen. Als nachfolgende Bauten bezeichnet der Autor u. a. das Odeion des Perikles, was aber höchstens für das Alte Bouleuterion zutrifft. Darüber hinaus nennt er noch das Thersileion von Megalopolis und den hypostylen Saal von Delos. Eine neue Entwicklung bezeichne im Hellenismus das Neue Bouleuterion in Athen mit der halbkreisförmigen (nicht kreisförmigen, wie G. schreibt) Sitzstufenanlage aus Stein. Im Gefolge davon nennt der Verf. das Bouleuterion von Milet: an beiden sei die Anlage der Stützmauern des Zuschauerraumes, die im rechten Winkel zur Mittelachse des Koilons verlaufen, charakteristisch, womit sie das römische Theater vorwegnähmen. Für andere Bouleuterien der hellenistischen Zeit (z. B. Priene, Messene, Gortyn und Kos) sei ein schräger (Gogos "strahlenförmiger") Verlauf der Analemmata zu beobachten.

   

         In dem Unterkapitel zum Odeion in römischer Zeit (12-19) geht es zunächst um die Strukturelemente des Odeions der frührömischen Zeit, welche mit der Architektur des hellenistischen Bouleuterions gleichzusetzen seien. Dabei sei die Frühzeit des hellenistischen Bouleuterions mit dem Typus des hypostylen Saales zu verbinden, wie er durch das Telesterion von Eleusis und das Odeion des Perikles vertreten werde. Hingegen besitze das späthellenistische Bouleuterion bis auf das Bühnengebäude alle Strukturelemente des römischen Theaters. Diese ließen sich am Theater des Pompeius, dem frühesten steinernen Theater Roms, feststellen Dessen Entstehungszeit wird von G. einmal mit 52 v. Chr. und einmal mit 55 v. Chr. angegeben: es wurde jedenfalls 55 v. Chr. eingeweiht. Die hauptsächlichen Elemente seiner Struktur seien das halbkreisförmige Koilon (beim römischen Theater wird man besser wohl von cavea sprechen), die kreisförmige (richtig wohl halbkreisförmige) Außenseite und das orthogonale (besser wohl quaderförmige) Bühnengebäude. Der im nächsten Unterkapitel behandelte voll entwickelte Bautypus des römischen Odeions (14-19) sei an der Wende von 1. zum 2. Jh. n. Chr. aufgekommen. Die Merkmale des römischen Odeions seien die auf flachem Boden errichtete cavea, die sich auf einem System von Substruktionen aufbaue. Im Vergleich zum griechischen Theater stellten die Parodoi nun keine autonomen Bauglieder mehr da, sondern seien als überwölbte Gänge angelegt, welche eine Verbindung zwischen cavea und scaenae frons herstellten. Letztere erhalte nun eine monumentale Gestaltung. Der Verf. möchte für die Aufführungspraxis des 5. und 4. Jhs. v. Chr. ein Spiel auf der Ebene der Orchestra annehmen, was für das 4. Jh. v. Chr. angesichts der Neuen Komödie weniger wahrscheinlich ist; im Widerspruch dazu steht auch die Aussage, dass seit dem Anfang des 4. Jhs. v. Chr. eine Bedeutungsverlagerung zugunsten des Schauspielerischen stattgefunden habe (18).

   

         Der 2. Teil der Arbeit befasst sich mit dem Odeion des Perikles (20-36). Zunächst geht der Autor der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Evidenz nach (20-25). Unzweifelhaft dürfte der Brand des Odeions bei der Belagerung Athens durch Sulla (86 v. Chr.) sein bzw. der Wiederaufbau durch den kappadokischen König Ariobarzanes II (63/62 bis etwa 51 v. Chr.). Auch die von Plutarch überlieferte Verbindung des Odeions mit der Einführung musischer Agone bei den Panathenäen erscheint unbestritten. Irrtümlich schreibt G. von einer Brandstiftung des 5. Jhs. v. Chr. (22). Bezüglich der Reste des nördlichen Bauteiles behauptet G., dass die zwei Schichten von isodomem Mauerwerk über den Orthostaten mit Marmorplatten überzogen gewesen seien, was sich anhand der Abb. 30 (Odeion des Perikles. Aufriss und Querschnitte der Nordmauer, nach P. Kastriotis, AEphem 1922, Abb. 3; ders., Prakt 1924 Abb. 1) nicht erkennen lässt. Im folgenden Unterkapitel ist von der Baugestalt und den Vorbildern des Odeions des Perikles die Rede (25-30). Für die Beleuchtung (nicht Belichtung, so der Verf.) dürfte eine Dachöffnung (Opaion) die wahrscheinlichste Lösungsmöglichkeit darstellen. Eine entsprechende Öffnung hatte wohl auch das von Iktinos erbaute Telesterion von Eleusis, wobei Iktinos vielleicht auch der Architekt des Odeions des Perikles war. In der Folge widmet sich der Autor eingehender der Frage des Telesterions von Eleusis, wobei bereits der peisistratidische Bau des ausgehenden 6. Jh. v. Chr. (zu verbinden nicht mit seiner Lebenszeit ab 594/93 v. Chr., so G., sondern mit dem Beginn seiner Herrschaft ab 547 v. Chr.) einen Vorläufer des Odeions des Perikles darstelle. Etwas verblüffend ist die Aussage des Autors (27), dass die von Perikles verwirklichte Bauidee der hypostylen Halle nicht einem kanonischen griechischen Odeion geglichen habe.

   

         In einem eigenen Abschnitt (30-35) setzt sich der Autor mit dem Odeion des Perikles und der persischen Palastarchitektur auseinander. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die in der antiken Literatur häufiger vertretene Meinung einer Verbindung der Architektur des Odeions des Perikles mit jener Persiens, wobei hier an die hypostylen Hallen der persischen Architektur aus der Zeit von Dareios I., Xerxes und Artaxerxes I. in Persepolis gedacht wurde. Der Verf. stellt richtig, dass die Anregungen für die persische Palastarchitektur von den griechischen Ägäisinseln und der Westküste Kleinasiens stammten und nicht umgekehrt. Hingegen möchte er die revolutionären Veränderungen in der griechischen Tempelarchitektur des 6. Jhs. v. Chr. (ionische Dipteroi) mit dem Einfluss Ägyptens in Zusammenhang bringen. Auf S. 32 ist dabei irrtümlich die Rede von den zweischiffigen (richtig dreischiffigen) ionischen Tempels von Samos und Ephesos. Zur Datierung (35-36) des Odeions des Perikles bemerkt G., dass die Mehrzahl der griechischen Autoren den Bau dem Perikles zugewiesen habe, im Zusammenhang mit dessen Ziel, Athen als politisches und kulturelles Zentrum zu verewigen, so auch durch den Bau des Odeions aus Anlass der Neuordnung der Panathenäen 442 v. Chr. für die Erweiterung der Agone durch Kithara- und Flötenspiel. Das Zitat in Anm. 176 ist irrig wiedergegeben und fehlt auch in der Bibliographie; es muss richtig heißen: Das griechische Satyrspiel (Darmstadt 1999), ed. R. Krumeich - N. Pechstein - B. Seidensticker (Texte zur Forschung, 72) (in der Anm. Krummreich und Puchstein).

   

         Der 3. Teil der Publikation behandelt das Odeion des Agrippa (37-45). Im Unterkapitel Allgemeines (37-38) grenzt G. die Entstehung des Baus durch das Todesjahr des Agrippa (12 v. Chr.) bzw. den Besuch Agrippas in Athen (16-14 v. Chr.) ein. Etwas überraschend schreibt er, dass dieses Odeion nun bis zur Erbauung des Odeions des Herodes Atticus die Stätte der musischen Agone gewesen sei; es erhebt sich die Frage, was mit dem Odeion des Perikles geschah, das ja erst durch den Herulersturm von 267 n. Chr. zerstört wurde. Im folgenden Abschnitt geht der Verf. auf das Odeion des 1. Jhs. v. Chr. ein (38-44), wobei zunächst vom Theaterraum (gemeint wohl Zuschauerraum) die Rede ist (38-42). Beim Odeion des Agrippa handle es sich um einen quadratischen Bau, wobei der zentrale Innenbau einen orthogonalen Grundriss ohne Innenstützen aufweise. Unklar bleibt die Formulierung, dass Orchestra und cavea eine ellipsoide Form hätten (39). Gleichfalls unklar ist die Behauptung, dass sich der Haupteingang in das Odeion auf der S-Seite befunden habe[2]. Die farbigen Marmorplatten der Orchestra wird man wohl nicht als Fliesenboden (40), sondern als opus sectile zu bezeichnen haben. Unklar bleibt, was mit dem Ausdruck Hinterbühne gemeint ist: es dürfte sich um den Raum hinter der cavea handeln, der aber nichts mit der Bühne zu tun hat. In dem Unterkapitel zum Gesamtbau (42-44) kommt der Verf. auf die beiden Phasen des Gebäudes zu sprechen. Er geht davon aus, dass es sich bei den Säulenhallen des unteren Geschoßes um geschlossene Korridore mit einer mittleren Säulenreihe gehandelt habe, die wahrscheinlich als Lagerräume (42) verwendet worden seien, wobei sich allerdings schon die Frage stellt, zu welchem Zweck. Die nördliche, östliche und westliche (bei G. irrig südliche) Seite des Odeions (nicht des Hauptraumes) trug ein zweites, sich nach außen öffnendes Geschoß. Das Odeion des 2. Jhs. n. Chr. (44-45) ist Gegenstand des folgenden Abschnittes. Wohl wegen der fehlenden Innenstützen dürfte es um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. beim eigentlichen Odeion des Agrippa zum einem Einsturz des Daches gekommen sein. Der folgende Neubau verkleinerte die cavea drastisch und vergrößerte dafür den Raum dahinter. Nach der Zerstörung durch die Heruler wurde der Fassade des Baues um 400 n. Chr. (nicht im 4. Jh. n. Chr., wie G. schreibt) für das Gymnasium der Giganten weiterverwendet.

   

         Im 4. Teil der Arbeit bearbeitet der Autor das Odeion des Herodes Atticus (46-61), und zwar zunächst die schriftliche Überlieferung und die archäologische Forschung (46-47). Die Entstehungszeit des Baues lässt sich durch den Tod der Regilla, der Frau des Herodes Atticus, um 160 n. Chr. und durch den Abschluss des 7. Buches der Periegese des Pausanias (173 n. Chr.) einengen. In der Folge befasst sich der Verf. mit der Architektur des Odeions (47-61), dabei als erstes mit der cavea (47-50). Mit seiner halbkreisförmigen cavea und der scaenae frons gehörte das Gebäude zu den voll entwickelten römischen Odeia des 2. Jhs. n. Chr. Die cavea nutzt allerdings im Gegensatz zu den in der Regel auf Substruktionen ruhenden Zuschauerräumen den leicht nach Südwesten abfallenden Akropolishügel, so dass die Sitzstufen mit einem Gemisch aus Bruchstein und Mörtel auf dem gewachsenen Felsen verlegt sind. Auffällig sind die Arm- und Rückenlehnen im Bereich der obersten Sitzstufe des unteren Ranges, die man als obere Proedrie bezeichnen möchte. Zur Orchestra (50) bemerkt der Autor, dass sie an den Enden eine geradlinige Verlängerung besitze und somit hufeisenförmig sei; ihre Maße ließen sich mit der Orchestra des Dionysostheaters vergleichen. Zu den Treppenhäusern und Parodoi (50-51) betont der Autor die funktionelle Bedeutung der jeweils zwei rechteckigen Räume beiderseits der scaenae frons. Sie vermitteln den Zugang zu den Parodoi, zum pulpitum und zu den Treppenhäusern; über diese erreicht man das obere Diazoma, das Obergeschoß der Eumenes-Stoa und den Peripatos. Die Parodoi bestehen aus einem offenen und einem überwölbten Teil. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der Skene (52-57), wobei man besser von scaenae frons sprechen wird. Das Bühnengebäude ist viergeschossig (nicht vierstöckig, wie der Autor schreibt); es bildet einen U-förmigen Hintergrund für die Aufführungen auf dem pulpitum (G. irrig im Proskenionraum). Von der Orchestra führen zwei (nach J. Travlos allerdings drei[3]) Aufgänge auf das proscaenium. Von den in den Nischen der scaenae frons aufgestellten Statuen haben sich zahlreiche Fragmente gefunden[4]. Für das 3. und 4. Geschoß der scaenae frons ist die Rekonstruktion hypothetisch. Ausführlich beschäftigt sich der Verf. mit der Frage der Überdachung des Odeions des Herodes Atticus (Theater oder Theatron hyporophion, 57-61). Eine Reihe von Forschern ist von einer Überdachung nur des pulpitum ausgegangen, ein bedeutender Bauforscher wie M. Korres[5] hingegen von einer vollständigen Überdachung des Baus, wie es für ein Odeion üblich war. Auch R. Meinel, dem wir die umfassendste Studie zu den Odeia verdanken[6], ist nicht zuletzt wegen der Reste von Dachziegeln, verkohlten Holzbalken und anderen Materialien (z. B. Eisen) für eine vollständige Überdachung des Baues eingetreten, während G. zuletzt meinte, dass die Brandreste von der nachantiken Nutzung des Odeions und den dort befindlichen Einbauten herrühren könnten. Als ein weiteres Argument für eine jedenfalls nicht vollständige Überdachung führt der Verf. das Entwässerungssystem im Bereich der Orchestra an.

   

         Die Arbeit von G. wird abgerundet durch ein Literaturverzeichnis (61-66), in dem das Werk von J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika (Tübingen 1988) vermisst wird, das vor allem für das Telesterion von Eleusis von Interesse wäre. Darauf folgen 114 Abbildungen (67-110), deren Qualität sehr gut ist.

   

         Insgesamt darf die Arbeit von S. Gogos zu den drei Odeia aus Athen als wohlgelungene Darstellung bezeichnet werden. Ein kleiner Wermutstropfen sind die doch recht zahlreichen grammatikalischen Fehler (kaum eine Seite ohne einen solchen) im Text.

 

 


[1]   z. B. S. Gogos, Zur Typologie vorhellenistischer Theaterarchitektur, ÖJh 59, 1989 Beibl. 114-158; Das Theater von Aigeira. Ein Beitrag zum antiken Theaterbau. (Wien 1992) (SoSchrÖAI, 21); Bemerkungen zu den Theatern von Priene und Epidauros sowie zum Dionysostheater in Athen, ÖJh 67, 1998 Beibl. 65-106; gem. mit G. Kampourakis, Das Dionysostheater von Athen. Architektonische Gestalt und Funktion. Mit einem Beitrag zur Akustik des Theaters (Wien 2008); gem. mit G. Kampourakis, Das antike Theater von Oiniadai. Mit einem Beitrag zur Akustik (Wien 2009); gem. mit G. Kampourakis, Das Theater von Epidauros. Mit einem Beitrag zur Akustik des Theaters. (Wien 2011).

[2]   Vgl. J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen (Tübingen 1971) 365 Abb. 472-474.

[3]   J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen (Tübingen 1971) Abb. 492.

[4]   Vgl. O. Palagia, Γλυπτά του Ηρώδη Αττικόυ από την Αθήνα και Αττική, Ενημερωτικό Δελτίο της Ένωσης Φίλων Ακροπόλεως 23, Dezember 2012, 1-10.

[5]   M. Korres, Η στέγη τoυ Ηρωδείoυ και άλλες γιγάντιες γεφυρώσεις (Aθήνα 2014).

[6]   R. Meinel, Das Odeion. Untersuchungen an überdachten antiken Theatergebäuden (Frankfurt - Wien 1980) 101ff.