Fouquet, Johannes: Bauen zwischen Polis und Imperium. Stadtentwicklung und urbane Lebensformen auf der kaiserzeitlichen Peloponnes, (Urban Spaces, 7), I-X- 424 p., ISBN : 978-3-11 -056951-3, 119,95 €
(De Gruyter, Berlin 2019)
 
Compte rendu par Erwin Pochmarski, Universität Graz
 
Nombre de mots : 5914 mots
Publié en ligne le 2021-01-25
Citation: Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700).
Lien: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=3663
Lien pour commander ce livre
 
 

          Die vorliegende umfangreiche Untersuchung ist das Ergebnis der vom Autor im WS 2015/2016 an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg mit dem leicht abweichenden Titel „Urbane Lebensformen zwischen Kontinuität und Wandel. Untersuchungen zur Stadtentwicklung auf der kaiserzeitlichen Peloponnes“ eingereichten Dissertation. Von der unter Berücksichtigung der neueren Literatur bis zum Herbst 2018 entstandenen Druckfassung sind bisher bereits drei Besprechungen erschienen[1]. Von J. Fouquet liegen außerdem eine Reihe weiterer Arbeiten zu Fragen der Bauforschung vor[2].

 

         In der Einleitung zu der Arbeit (3-19) führt F. aus, dass es ihm um den soziopolitischen Wandel der griechischen Poleis Mittel- und Südgriechenlands seit dem ausgehenden 1. Jh. v. Chr. im Zusammenhang mit der Inkorporation in das Imperium Romanum gehe (3). Der zeitliche Rahmen der Arbeit reicht vom Prinzipat des Augustus bis in flavisch-trajanische Zeit, wobei die colonia Korinth seit ihrer Gründung 44 v. Chr. betrachtet wird (5). In der Folge befasst sich F. kurz mit der Forschungsgeschichte (7-16). Die urbanistische Forschung habe erst in jüngerer Zeit die am kaiserzeitlichen Athen entwickelten Prämissen durch einen Perspektivenwechsel auf andere Städte revidiert, wobei auf der Peloponnes im Zentrum des archäologischen Interesses die Städte Korinth, Argos, Messene und Sparta gestanden seien, während etwa Elis nur ansatzweise bekannt sei[3].

  

        Für die drei letzten Endes von F. untersuchten Städte der Peloponnes - Korinth, Sparta und Argos - gelten folgende forschungsgeschichtlichen Eckdaten (9-13). In Korinth begannen die planmäßigen Ausgrabungen der American School of Classical Studies at Athens im Jahr 1876, die bis heute andauern und in der Regel gut publizierte Ergebnisse im gesamten Stadtgebiet von Korinth erbracht haben. Die Feldforschungen in Sparta erlebten ihren Durchbruch durch die Ausgrabungen der British School at Athens zwischen 1906 und 1920; in den 1960er und 1970er Jahren waren es vor allem Ausgrabungen der zuständigen 5. Ephorie auf der Akropolis; zwischen 1989 und 1998 fanden neuerlich Ausgrabungen der Britischen Schule statt. In Argos fanden die ersten systematischen Grabungen zwischen 1902 - 1913 unter der Ägide der École française d'Athènes statt, die auch heute die Grabungen überhat.

 

         Zur Frage des kulturellen Wandels im römischen Griechenland (17-19) befasst sich F. mit dem Begriff der Romanisierung im Sinne einer von den lokalen Eliten getragenen Herausbildung spezifischer Provinzialkulturen, wobei der Begriff "romanization" von weiten Teilen der angelsächsischen Forschung zugunsten neuer Begriffe wie Akkulturationskonzept oder Globalisierung abgelehnt werde. Zur Frage von Zielsetzung und Methodik der Arbeit (21) stellt F. fest, dass die öffentlichen Räume der Städte im Blickpunkt stünden, also Agorai bzw. Fora, Heiligtümer, Orte der Spiele und der Körperkultur, während die private Wohnarchitektur und die Nekropolen nur eingeschränkt berücksichtigt würden.

   

         Im 2. Teil der Arbeit setzt sich der Autor mit Korinth, Sparta und Argos als drei Fallbeispiele der Stadtentwicklung auseinander. Den größten Raum nimmt die Besprechung von Korinth ein (25-191). Hier bedeutet die Eroberung von Korinth durch L. Mummius im Jahre 146 v. Chr. eine Zäsur, wobei das Ausmaß der Zerstörungen in der Forschung allerdings lange Zeit überschätzt wurde. Tatsache ist, dass sich die Wirtschaft von Korinth bereits seit Beginn des 2. Jhs. v. Chr. in einem Niedergang befunden hat. Das wichtigste Datum seit der Gründung der colonia Korinth durch Caesar 44 v. Chr. ist die Einrichtung der provincia Achaia mit Korinth als Sitz des Provinzstatthalters im Jahre 27 v. Chr., wobei die lokalen Eliten der formativen Phase der Kolonie vornehmlich Freigelassene griechischer Herkunft waren (29).

   

         Nach der literarischen Überlieferung waren die Stadtmauern von Korinth vornehmliches Ziel der von L. Mummius angeordneten Zerstörungen, wobei sich allerdings diese und die spätere Spoliation nur in Einzelfällen wahrscheinlich machen lassen. Für die urbanistische Planung der colonia wollte D. G. Romano von einem Stadtgebiet von rund 240 Hektar ausgehen, M. Walbank hingegen von einem kleineren Siedlungsgebiet von 180 Hektar[4]. Die Hauptachse der colonia bildete jedenfalls die vom Forum nach Norden zum Lechaion-Hafen führende Straße, die mit dem cardo maximus zu identifizieren ist, mit dem sich der decumanus maximus aber nicht auf dem Forum schneide, sondern südlich davon mit Orientierung nach dem Tor nach Kenchreai verlaufe. Den urbanen Nucleus der colonia stellte jedenfalls das im Tal zwischen dem Hügel mit dem Apollon-Tempel im Norden und der S-Stoa im Süden des Platzes gelegene Forum dar, das entgegen der älteren Forschung mit der Agora der Polis gleichzusetzen ist.

   

         Zum Areal an der Lechaion-Straße (42-53) führt F. aus, dass die früheste archäologisch fassbare Bautätigkeit im Umfeld des Peirene-Brunnens im NO des Forums festzustellen sei. Mit den ersten Arbeiten an der Peirene bzw. mit deren Umgestaltung in früh- bis mittelaugusteischer Zeit hängen jene an der Northeast Stoa zusammen. Einen grundlegenden Wandel erlebten die von Norden den cardo maximus auf das Forum leitenden Propylaia in mittel- bis spätaugusteischer Zeit, womit die Lechaion-Straße zum repräsentativen Hauptzugang des Forums wurde. Für das kaiserzeitliche Griechenland stellte das wohl dreitorige korinthische Bogenmonument ein singuläres Baudenkmal dar. Im Zuge der Errichtung der Propylaia wurden nördlich der Peirene zwei weitere Bauprojekte verwirklicht, der Bau eines Marktbaus (macellum) und nördlich davon gleichfalls auf der O-Seite der Lechaion-Straße eine Thermenanlage.

   

         Die städtebauliche Entwicklung der colonia erfolgte bis in die mittel - bis spätaugusteische Zeit nur zögerlich. So wurde am SO-Fuß des Tempelhügels erst in spätaugusteischer Zeit ein Bauwerk aus dem 3. Jh. v. Chr. niedergelegt und durch den Bau der Northwest Stoa ersetzt. Diese liefert den terminus post quem für die gegen Norden an der W-Seite der Lechaion-Straße anschließende Nordbasilika. Die W-Seite des Forums wurde erstmals in augusteischer Zeit, vielleicht im Zusammenhang mit der Northwest Stoa durch die Anlage einer erhöhten Terrasse architektonisch gefasst: eine Neubearbeitung der hier errichteten Bauten hat F. als Forschungsdesiderat formuliert (60). Der am S-Ende der W-Terrasse zum Forum orientierte Tempel F stellt wohl den frühesten Tempel auf dem Forum dar und gehört mit seinem Oberbau aus Marmor zu den qualitätsvollsten Bauwerken des Forums[5], wobei die Kombination von Krepis und Podium Versatzstücke einer griechisch bzw. römisch konnotierten Architekturtradition vereint. Etwas später ist der prostyle Tempel G entstanden, der an der NW-Ecke das Fundament des Tempels F umlappt. Das nördlichste Bauwerk des W-Terrasse ist der Tempel D, für den der Bau der Northwest Stoa einen Anhaltspunkt für seine Entstehung frühestens in spätaugusteischer Zeit bedeutet. Über der area sacra der W-Terrasse liegt das große quadratische Temenos des Tempels E, der einen archaischen Vorläufer hatte und dessen Planung bereits im ausgehenden 1. Jh. v. Chr. erfolgte. Bemerkenswert ist an dem axial in dem quadratischen Temenos gelegenen Peripteros die römisch konnotierte Raumkonzeption des Temenos und die griechische Formensprache des Tempels in dorischer statt der zeitgemäßeren korinthischen Ordnung. Für die Substruktionen des Tempels und den Tempel selbst ergibt sich ein Entstehungszeitraum in spätaugusteischer bis frühtiberischer Zeit. Am ehesten dürfte es sich bei dem Tempel um das Capitolium der colonia handeln.

   

         Die S-Seite des Forums wird von der aus frühhellenistischer Zeit stammenden Südstoa und der dieser vorgelagerten Platzanlage eingenommen. Nach der Gründung der colonia wurde das urbanistische Gesamtkonzept nach ihr ausgerichtet. Der interessanteste Bau an der O-Seite des Forums ist die Iulische Basilika, nicht zuletzt wegen des Fundes einer Statuengalerie des iulisch-claudischen Herrscherhauses, für die als terminus post quem eine Datierung um die Zeitenwende gelten kann. In baulichem Zusammenhang mit der Iulischen Basilika steht das im Süden anschließende Southeast Building, wobei nach F. die Klärung des baulichen und zeitlichen Verhältnisses zwischen den beiden Bauten ein Desiderat darstellen würde (92).

   

         Einen zentralen Ort auch der römischen Stadt repräsentiert der Tempelhügel mit dem Apollon-Tempel, an dem umfangreichere Instandsetzungs- und Umbauarbeiten erst in tiberischer Zeit abgeschlossen wurden. An der N- und der S-Seite des Temenos wurden jeweils zweischiffige Portiken errichtet, die aus der frühkaiserzeitlichen Bauphase des Tempels stammen. Die urbanistische Entwicklung im weiteren Stadtgebiet jenseits des Forums ist für die frühe Kaiserzeit nur punktuell durch die Bauaktivitäten am Theater und am Asklepieion fassbar. Für das im frühen 4. Jh. v. Chr. errichtete Theater gilt, dass es in den ersten Jahren der colonia in seiner alten architektonischen Form genutzt wurde. Die späteren Umbauten betrafen die Niederlegung des griechischen Bühnenhauses und unter Benutzung von dessen Fundamenten die Errichtung einer scaenae frons mit vorgelagertem pulpitum. Ein grundlegender Neubau fand erst in hadrianischer Zeit statt, wobei der Zuschauerraum gegenüber dem ursprünglichen Bauzustand aus dem 4. Jh. v. Chr. nur unwesentlich erweitert wurde. Nördlich des Theaters wurden am Rand des zur Küste abfallenden Stadtplateaus nach Pausanias (2,4,5) neben einem Gymnasion und der Lerna-Quelle die Heiligtümer für Asklepios und Zeus errichtet. Von diesen Bauten ist das Heiligtum des Asklepios mit einem dorischen tetrastylen Prostylos, der noch auf das 4. Jh. v. Chr. zurückgeht, durch Ausgrabungen sicher identifiziert. In diesem nördlichen Stadtareal wurde südlich des Asklepieions auch ein Circus partiell freigelegt, der noch im 6. Jh. n. Chr. erneuert wurde, ursprünglich aber auf die mittel- bis spätaugusteische Zeit zurückgeht. Ebenso wie das im NO der Stadt erbaute Amphitheater stellt der Circus in Korinth für die provincia Achaia ein Unikum dar.

  

          Eine erste städtebauliche Blüte konstatiert F. in einem ersten Fazit (108-120) für die spätaugusteisch-tiberische Zeit. In der Zeit des sich zuspitzenden Gegensatzes zwischen Octavian und Marc Anton und in den ersten Jahren des Prinzipats wird allerdings noch das ökonomische Unvermögen der städtischen Eliten und die mangelnde Wirtschaftskraft der colonia sichtbar, wobei sich enge Beziehungen der städtischen Eliten, unter denen sich viele griechischstämmige Antonii finden, zu Marc Anton nachweisen lassen. Von den Bauwerken der einstigen Polis wurde nur die S-Stoa in geringem Umfang instandgesetzt. In diesem urbanistischen Dämmerzustand verblieb Korinth bis in die mittelaugusteische Zeit, als die ersten Baumaßnahmen im Umfeld der Lechaion-Straße durchgeführt wurden. Die bauliche Gestaltung des Forums setzt erst in spätaugusteischer Zeit in größerem Umfang ein, wobei etwa mit der Nordbasilika oder der Iulischen Basilika der Forumsbereich auch für merkantile Zwecke genutzt wurde. Wichtig ist, dass an der W-Seite des Forums im Rahmen einer area sacra eine ganze Reihe kleinerer Tempel gebaut wurde, die mit Podium und vorgelagerter Treppe den Einfluss italischer Vorbilder zeigen. Dieser Rückgriff auf italische Architekturtypen verrät, dass die urbanen Lebensräume nach dem Ideal der romanitas geformt wurden. Ausschlaggebend für die Stadtentwicklung war letztendlich die Konsolidierung der städtischen Finanzen durch den von den beiden Häfen Korinths ausgehenden Seehandel.

   

         Das weitere 1. Jh. n. Chr. bis in die flavisch-trajanische Zeit ist geprägt durch die städtebauliche Entwicklung Korinths in der augusteisch-tiberischen Zeit, welche den Grundstein für die politische und wirtschaftliche Entwicklung von Korinth legte. Seit claudischer Zeit und im weiteren Verlauf des 1. Jhs. n. Chr. übte die colonia Korinth eine soziale Saugwirkung auf die städtischen Eliten der Peloponnes aus. Zu den Maßnahmen des späteren 1. Jhs. n. Chr. gehörte u. a. die Pflasterung einzelner Straßen, so der Lechaion-Straße und des decumanus zwischen dem Theater und der Lechaion-Straße. Auf dem Forum wurde die in augusteischer Zeit angelegte dünne Zementschicht bis weit in das 1. Jh. n. Chr. benutzt. Die Propylaia wurden zu einem eintorigen Bogenmonument umgestaltet und über eine Treppenkonstruktion mit der auf tieferem Niveau liegenden Lechaion-Straße verbunden. Ein für die flavische Zeit überliefertes Erdbeben führte zu einer radikalen Umgestaltung der O-Seite der Lechaion-Straße: an die Stelle des macellum trat eine Peristylanlage ionischer Ordnung, die repräsentativen Zwecken diente. An der W-Seite der Lechaion-Straße entstand nördlich der Nordbasilika eine weitere, dreiflügelige Peristylanlage. An der W-Seite des Forums wurde nördlich der Temenos des Tempels E ein auf drei Seiten von Säulenhallen eingefasstes Temenos für den Tempel C geschaffen, einen tetrastylen Prostylos auf einer dreistufigen Krepis, dessen Kult kontrovers diskutiert wird. Der in spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit erbaute Tempel E wurde bis auf die Euthynterie niedergelegt, nach Westen verschoben und wieder in der Längsachse des Temenos angelegt. Der Hof von Tempel E wurde nun auf allen vier Seiten von zweischiffigen Portiken eingerahmt, von denen jedenfalls diejenige an der O-Seite zweigeschoßig war. Die Datierung des Neubaus von Tempel E stellt eines der ungelösten Probleme der archäologischen Forschung zum kaiserzeitlichen Korinth dar: F. weist in diesem Zusammenhang auf die fehlende Neubearbeitung des Bauschmucks und der Bauplastik des Tempels hin (141). Er selbst spricht sich für eine Datierung in die spätere 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. aus. Im Laude des 1. Jhs. n. Chr. wird auch die Geländestufe zwischen dem Forumsareal und der S-Stoa neu gestaltet. Hingegen behielt die S-Stoa den Bauzustand aus der augusteisch-tiberischen Zeit bis in die flavische Zeit bei, als südlich der Stoa die Südbasilika und im Bereich der Stoa der Raum G errichtet wurden. Im nördlichen Stadtgebiet erlebte das Theater bis in flavische Zeit keine baulichen Veränderungen; durch das Erdbeben der 70er Jahre des 1. Jhs. n. Chr. erlitt es allerdings schwere Schäden. Reparaturarbeiten am Theater wurden aufgrund einer Weihinschrift für Trajan von 101 n. Chr. zu Beginn von dessen Regierungszeit begonnen (162). Im ausgehenden 1. Jh. n. Chr. wurde zudem in der Flucht der O-Hälfte der Cavea des Theaters südlich von diesem ein Odeion erbaut. Eine tiefgreifende bauliche Umgestaltung fand auch auf dem Areal zwischen dem Circus und dem Asklepieion statt, wo eine dreiflügelige Peristylanlage errichtet wurde, von denen jedenfalls die Säulenhallen an der S- und an der O-Seite nachgewiesen sind (dementsprechend zeigt auch die Abb. 41 auf S. 105 nur diesen beiden Flügel). In dem nur spärlich erforschten östlichen Stadtgebiet wurde im äußersten Nordosten der colonia ein Amphitheater an einer Terrassenkante errichtet, das zusammen mit dem Circus anlässlich der Inthronisation Neros der Durchführung von venationes bzw. munera diente. Zur Frage eines städtebaulichen Booms in neronischer Zeit, wie ihn V. M. Strocka vor allem anhand seiner Untersuchung der Gefangenenfassade, die er in neronische Zeit datiert, postuliert hat[6], verhält sich F. eher zurückhaltend (178-185). Die Auswirkungen des Besuchs von Nero während dessen Aufenthalts in Griechenland 66/67 n. Chr. auf die städtebauliche Entwicklung von Korinth seien wegen der geringen Anzahl von Befunden aus neronischer Zeit nur als vage zu bezeichnen. Eine andere, mit der Bezeichnung „Marmorisierung" versehene Entwicklung der Stadt (185-191) im Sinne einer Ästhetisierung des Stadtinneren vollzieht sich nach F. in Korrespondenz mit der Wirtschaftskonjunktur und der gesteigerten politischen Bedeutung von Korinth seit der claudischen Zeit. Eine besondere Signifikanz hatte die flavische Epoche nach F. für die öffentliche Bautätigkeit in Korinth (189) trotz der von ihm geäußerten Bedenken bezüglich der Bedeutung des zeitgenössischen Erdbebens. In trajanischer Zeit werden eine ganze Reihe überdachter Versammlungsbauten wie das Odeion, die S-Basilika und der Raum G im Bereich der S-Stoa errichtet. Charakteristisch sei einerseits die Rezeption griechischer Architektur im öffentlichen Raum sowie griechisch konnotierter Lebensformen durch Bauten wie Gymnasion und Odeion, die mit einer ostentativ demonstrierten romanitas einherging.

   

         Die zweite Stadt auf der Peloponnes, mit der sich F. eingehend (193-233) beschäftigt, ist Sparta, das ja nicht nur wegen seiner historischen Bedeutung, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass es bei den in Griechenland ausgetragenen Kriegen des 1. Jhs. v. Chr. auf der Seite Roms bzw. - mit Ausnahme der Schlacht von Pharsalos - auf jener der siegreichen römischen Bürgerkriegspartei stand, von Interesse ist. Schon seit dem 2. Jh. v. Chr. unterhielt die Stadt eine enge Klientelbeziehung zur gens Claudia. Mit dem Bürgerkrieg zwischen Octavian und Marc Anton bzw. mit der Schlacht von Actium begann der soziale Aufstieg der Dynastie der Eurykliden, wobei deren Begründer, C. Iulius Eurykles, ein Klientelverhältnis mit dem späteren Augustus verband. Die Vormachtstellung der Familie der Eurykliden dauerte mit Unterbrechungen bis in die neronische Zeit an.

   

         Das im Osten vom Fluss Eurotas, im Norden und Süden von zwei Seitenarmen dieses Flusses begrenzte Stadtgebiet hatte sich seit der geometrisch-archaischen Zeit aus vier Komai zusammengesetzt und die Polis war nach Thukydides (1,10,2) noch bis ins 5. Jh. v. Chr. ein loses Konglomerat einzelner Dorfgemeinschaften. An der Wende vom 3. zum 2. Jh. v. Chr. hatte durch den Bau einer Stadtmauer eine städtische Verdichtung stattgefunden. Reparaturen an der Stadtmauer dürften im Kontext des Bürgerkrieges zwischen Octavian und Marc Anton oder in der Zeit des frühen Prinzipats stattgefunden haben, wobei diese Fortifikationsarbeiten in der augusteischen provincia Achaia ein Unikum darstellen und vielleicht auf das Naheverhältnis des C. Iulius Eurykles zu Augustus zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang ist die Kontinuität der Bestattungspraxis intra urbem von Interesse, wobei eine Auswertung der Grabinventare nach F. zur Differenzierung der sozialen Gruppen ein Desiderat wäre (198). Während die verkehrstechnische Erschließung des hellenistischen Sparta weitgehend unbekannt ist, haben die Rettungsgrabungen der letzten Jahrzehnte ein Bild des kaiserzeitlichen Straßennetzes erbracht, wobei nach den Ergebnissen der jüngeren Forschung Sparta einen orthogonalen Rasterplan hatte. Die bedeutendste Straßenachse war die Aphetais-Straße, die von der Agora auf dem Palaiokastro-Hügel östlich der Akropolis nach Süden zum extraurbanen Heiligtum von Amyklai führte. Das Straßennetz des kaiserzeitlichen Sparta kannte noch keine Pflasterung, lediglich aus der Spätantike ist ein Straßenabschnitt mit Pflasterung bekannt, während sonst der Belag aus Erde und Kieseln bestand. Es stellt sich die Frage nach dem historischen Kontext des Stadtbildungsprozesses, bei dem Sparta aus einem Konglomerat einzelner Siedlungszentren zu einem urbanen Gefüge transformiert wurde.

   

         Der zentrale, kontrovers diskutierte Forschungsgegenstand der Topographie Spartas ist die Lokalisierung der nach Pausanias (3,14,1) östlich vom Theater gelegenen Agora, wobei sich in der Forschung zwei Thesen diametral gegenüberstehen: die Lage der Agora auf dem Palaiokastro-Hügel oder am Südfuß des Hügels, wobei für die Lokalisierung der Agora auf dem Palaiokastro-Hügel die in den frühen 1990er Jahren im Bereich der Roman Stoa am Südfuß des Hügels durchgeführten britischen Untersuchungen entscheidend waren. Allerdings ist das Plateau des Palaiokastro-Hügels mit seinem quadratischen Grundriss nicht ergraben. Für Pausanias (3,11,3) war das beachtlichste Gebäude der spartanischen Agora die Stoa Persike, die aus der Beute der Perserkriege errichtet wurde und sich nach der jüngeren Forschung an der W-Seite des Palaiokastro-Hügels befand. Die Neugestaltung der Perserhalle könnte auf Initiative von C. Iulius Eurykles erfolgt sein, wobei in augusteischer Zeit die Schlacht von Salamis als Sinnbild zweier für die Ideologie des Prinzipats wichtiger Ereignisse steht, der Schlacht von Actium und der Wiedererlangung der Feldzeichen von Carrhae.

   

         Am S-Fuß der Akropolis liegt das Theater von Sparta (216-226), das wegen seiner guten Erhaltung bereits für die frühen Forschungsreisenden des 18. Jhs. eine wichtige Landmarke für die Rekonstruktion der Topographie Spartas darstellte. Bei den Ausgrabungen der British School at Athens wurden im frühen 20. Jh. Teile der cavea, die Parodoi und das Bühnengebäude freigelegt. Untersuchungen der 1990er Jahre haben im Bereich der cavea stratigraphische Indizien für eine Datierung des Theaters in frühaugusteische Zeit erbracht, wobei nach der communis opinio C. Iulius Eurykles als die treibende Kraft bei dem Bau zu gelten hat. Die Gestaltung der cavea scheint nach der herrschenden Forschungsmeinung in der Tradition der griechischen Theaterarchitektur verankert zu sein, wobei allerdings der halbkreisförmige Grundriss der Orchestra auch römische Architektureinflüsse vermuten lässt. In der Regierungszeit Vespasians wurde das Theater anscheinend durch Feuer in Mitleidenschaft gezogen und ein permanentes Bühnenhaus statt der früheren, etwas rätselhaften Rollbühne errichtet.

   

         Von den innerstädtischen Heiligtümern (226-231) ist jenes der Artemis Orthia am W-Ufer des Eurotas das am besten erforschte, das seit dem 5. Jh. v. Chr. bis in die Kaiserzeit kontinuierlich genutzt wurde und zentraler Austragungsort für die rituellen Wettkämpfe der spartanischen Epheben war. Restaurative Eingriffe in die Bausubstanz innerstädtischer Heiligtümer lassen sich auch am Heiligtum der Athena Chalkioikos auf der Akropolis durch den Fund von Dachziegeln nachweisen.

   

         Das mit dem treffenden Namen „Eine Stadt entsteht“ von F. hergestellte Fazit zur städtebaulichen Entwicklung Spartas (234-238) hält eingangs fest, dass die Person und das Wirken des C. Iulius Eurykles am Anfang der Kaiserzeit die wichtigste Zäsur darstellt. Nach Ansätzen einer Urbanisierung seit der Wende vom 3. zum 2. Jh. v. Chr. sei die Stadtwerdung erst in augusteischer Zeit fassbar; die weitere urbanistische Entwicklung Spartas in iulisch-claudischer und flavisch-trajanischer Zeit bleibe hingegen weitgehend im Dunkeln. Im Verlauf des augusteischen Stadtbildungsprozesses werden die vier innerhalb der hellenistischen Stadtmauer gelegenen Komai zu einem homogenen urbanen Gefüge verdichtet. Die Kenntnis der Entwicklung der öffentlichen Räume im frühkaiserzeitlichen Sparta sei allerdings eher schemenhaft und auf das Umfeld der Akropolis beschränkt. Auf der Agora auf dem Palaiokastro-Hügel habe die Errichtung der Naoi für Caesar und Augustus zu einer Neugestaltung des Raumkonzeptes geführt. Der eindrucksvollste Neubau sei das Theater aus der frühaugusteischen Zeit, welches den zentralen Symbolträger der Baupolitik des C Iulius Eurykles bilde. Neben den beiden zentralen innerstädtischen Heiligtümern Spartas - dem der Athena Chalkioikos und dem der Artemis Orthia - werden in der frühen Kaiserzeit auch kleiner Kultstätten genutzt.

   

         Die dritte Stadt auf der Peloponnes, die von F. als Fallbeispiel in ihrem Baubefund vorgestellt wird, ist Argos (239-285), das seine politische und städtebauliche Blüte im mittleren 3. Jh. v. Chr. hatte, in späthellenistischer Zeit aber an Bedeutung verlor. Der rechtliche Status von Argos nach der Niederlage des Achaiischen Koinon 146 v. Chr. ist nicht sicher zu beantworten, offensichtlich zeigen sich in der Folgezeit aber verstärkt oligarchische Züge mit einer Konzentration auf die städtischen Eliten. Die Präsenz italischer negotiatores im 2. Viertel des 1. Jhs. v. Chr. zeigt, dass Argos mit seinem Hafen Temenion einen Knotenpunkt für die Schifffahrt in der südlichen Ägäis bildete. Die urbane Topographie von Argos wird von dem Berg Larisa im Westen der Stadt beherrscht, während sich im Norden der flachere Aspis-Hügel befindet; im Osten ist der Fluss Charadros für die städtische Topographie von Bedeutung. Durch Grabungen haben sich zwei Siedlungszentren nachweisen lassen: das Umfeld der Agora im Süden der Stadt und der Süd-Fuß der Aspis. An den Ausfallstraßen nach Norden, Südosten und Südwesten liegen drei Nekropolen, deren Bestattungen bis in die Kaiserzeit reichen.

 

         Die Verbreitung des römischen Bürgerrechts innerhalb der städtischen Eliten war vor dem Beginn der Kaiserzeit stark begrenzt; es wurde erst im 2. Jh. n. Chr. einem weiteren Kreis der argivischen Eliten zuteil. In iulisch-claudischer Zeit hatte die Stadt wieder eine überregionale Bedeutung, was etwa darin zum Ausdruck kommt, dass sie 37 n. Chr. Versammlungsort des Koinons der Panhellenen war und wohl auch der Regierungsantritt des Claudius von den Panhellenen in Argos gefeiert wurde.

   

         Der bauliche Erhaltungszustand der Stadtmauern von Argos in der Kaiserzeit ist wegen der spärlichen Befunde kaum nachzuvollziehen: in einer Untersuchung der peloponnesischen Stadtmauern sieht F. ein weiteres Forschungsdesiderat (245). Das im Hellenismus nur spärlich bebaute Stadtareal im Süden und im Südosten der Agora wird durch einen Prozess der urbanen Verdichtung seit der frühen Kaiserzeit stärker besiedelt. Das Straßennetz des kaiserzeitlichen Argos folgt älteren Straßenverläufen und liefert damit gleichfalls das Bild einer sukzessiv gewachsenen Stadt. Das Gesamtbild des kaiserzeitlichen Straßennetzes in Argos erscheint aber schlicht; eine frühkaiserzeitliche Nutzungsphase ist aus den Vorberichten kaum erkennbar. Es haben sich aber im gesamten Stadtgebiet Rohrleitungen oder gemauerte Kanäle in den Straßenachsen gefunden.

   

         Für die östlich des frühhellenistischen Theaters und der thermes A gelegene Agora von Argos gilt, dass sie wegen der dichten rezenten Besiedlung nur partiell ergraben ist (249-254). An der W-Seite der Agora befindet sich mit der salle hypostyle ein Saalbau aus dem frühen 5. Jh. v. Chr. Östlich von diesem befindet sich das Gebäude P, bei dessen O-Hälfte es sich um ein in der iulisch-claudischen Epoche von Säulenhallen eingefasstes Gymnasion handelt. Im Zusammenhang mit dem kaiserzeitlichen Gymnasionbetrieb ist auch der Dromos von der N-Fassade des Peristylhofes des Gymnasions zu sehen. Nördlich des Dromos befindet sich eine oktostyle Tholos korinthischer Ordnung mit komplexen hydraulischen Installationen: der Bau stammt nach der Fundkeramik in der Baugrube aus der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. Südlich von dem Rundbau liegt der Grabbau RT, der in seiner Orientierung auf den Dromos abgestimmt ist. Das ursprünglich heroisierten Stadtgründern vorbehaltene Privileg der intramuralen Bestattung war seit dem Hellenismus auf städtische Euergeten ausgeweitet worden. Das traditionelle Raumkonzept der Agora von Argos stammt noch aus der klassischen Zeit, hatte aber auch in der Kaiserzeit Bestand.

   

         Die Zurückhaltung in der Bauaktivität in der iulisch-claudischen Epoche gilt nicht nur für die Agora, sondern auch für das übrige Stadtgebiet, so für das Areal am SO-Fuß der Larisa. Hier liegt u. a. das Heiligtum der Aphrodite, das durch Inschriftenfunde identifiziert werden konnte, für das sich aber für die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. nur eine bescheidene Bautätigkeit nachweisen lässt. Nördlich des Aphrodision liegt das in den Felsen gehauene Theater, das im ausgehenden 1. Jh. n. Chr. von einem Odeion überbaut wurde. Ein Bau vielleicht aus der Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. sind die thermes A westlich von der salle hypostyle. Sie stellen einen bedeutsamen Eingriff in das kaiserzeitliche Stadtbild dar; allerdings ist ihre endgültige Publikation eines der Desiderata der urbanistischen Forschung zum kaiserzeitlichen Argos (273). Nach dem Ausgräber P. Aupert[7] wären zwei Hauptausbauphasen zu unterscheiden: die Errichtung um die Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. und die Umwandlung in eine Thermenanlage im späteren 2. Jh. n. Chr. Dabei stellt sich die Frage nach der Funktion der thermes A in ihrer 1. Bauphase, wobei Aupert ein Heiligtum der Heilgottheiten Serapis und in der Folge Asklepios vorschlägt, während zuletzt M. Piérart[8] an das Privatmonument einer der großen Familien der Stadt dachte und die thermes A als ein Gymnasion deutete. Zusammenfassend hält F. fest (282-285) dass Argos am Übergang vom Späthellenismus zur Kaiserzeit durch eine fragile städtische Ökonomie geprägt war. Das kaiserzeitliche Argos zeichne sich durch starke Kontinuitäten aus. Für die augusteische Zeit lasse sich wohl wegen des Fehlens einer finanzkräftigen Elite nur sporadisch eine Bautätigkeit erfassen; erst in der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. ergebe sich eine Konsolidierung der städtischen Ökonomie. Eine neue Qualität des Bauens vertrete etwa das im ausgehenden 1. Jh. n. Chr. über dem Theater errichtete Odeion.

   

         Der dritte Teil der Arbeit von F. mit dem Titel „Urbane Lebensformen zwischen Kontinuität und Wandel" (289-345) liefert zu den Kapiteln Strukturierung des urbanen Raumes (289-301), Agorai und Fora (303-313), urbane Sakrallandschaften (315-324) und Orte der Unterhaltung, Entspannung und Körperkultur (325-345) eine Zusammenfassung, in die nicht nur die Ergebnisse der städtebaulichen Entwicklung der drei Städte Korinth, Sparta und Argos einbezogen sind, sondern durch Vergleiche auch andere Städte der Peloponnes. Die Strukturierung des urbanen Raumes durch Straßen und Plätze hat in den drei Städten unterschiedliche Ausprägungen erfahren, wobei sich für das kaiserzeitliche Argos die Persistenz des sukzessiv gewachsenen Straßennetzes zeigen lässt. Hingegen erfolgt in Korinth und Sparta eine Neuordnung des urbanen Raumes durch einen über das Gefüge der alten Polis gelegten zeitgenössischen, orthogonalen Straßenraster. Für die Straßen gilt in allen drei Fällen, dass sie in der iulisch-claudischen Zeit ungepflastert waren und lediglich über einen Belag aus gestampftem Erdboden verfügten. Eine neue Qualität der städtischen Infrastruktur erlebte Korinth in der flavischen Zeit durch die Pflasterung zentraler Arterien des Straßenverkehrs, so der Lechaion-Straße, und den Bau langer Säulenhallen entlang dieser Straßen. Für das Wassermanagement der peloponnesischen Städte gilt, dass erst unter Hadrian die Frischwasserversorgung durch den Bau von Aquädukten gesichert wurde, während zuvor der Wasserbedarf entweder aus lokalen Quellen und Flüssen oder aus Tiefbrunnen und Zisternen befriedigt wurde.

   

         Als ein Topos der altertumswissenschaftlichen Forschung bezüglich der Fortifikationsanlagen des griechischen Mutterlandes kann gelten, dass mit dem Anbruch der pax Romana gegenüber den Stadtmauern eine gewisse Gleichgültigkeit auftrat, die erst gegen Ende des 3. Jhs. n. Chr. durch eine neue Signifikanz ersetzt wurde. Trotz des Verlustes ihres defensiven Charakters behielten aber die Stadtmauern und Stadttore der griechischen Städte in der Kaiserzeit ihre Bedeutung als konzeptuelle Grenzen des urbanen Raumes. Die Nekropolen des Suburbiums in der Zone des Übergangs der Stadt zu ihrem Umland erlebten im Fall von Argos eine über den Hellenismus hinaus perpetuierte Nutzung in der Kaiserzeit, was für die peloponnesischen Städte den Regelfall darstellt. Etwas anders sieht es im Fall von Sparta und Korinth aus: in Sparta wurden zwei im Suburbium im 1. Jh. v. Chr. entstandene Nekropolen erst mit Beginn der Kaiserzeit regelmäßiger genutzt, während die traditionelle Bestattung intra urbem bestehen blieb; auch in Korinth war die Stadtmauer als konzeptuelle Grenze für Bestattungen aufgehoben und diese konnten auch innerhalb der Stadtmauer stattfinden.

   

         Zu den griechischen Agorai bzw. römischen Fora der kaiserzeitlichen Städte auf der Peloponnes meint F., dass sie die politischen und sozialen Mittelpunkte der Städte von lokalpolitisch-administrativer, sakraler, merkantiler und agonaler Bedeutung waren; allerdings erlebten die Platzanlagen im 1. Jh. n. Chr. eine Veränderung ihrer räumlichen und architektonischen Konzeption. Nach V. Evangelidis[9] wäre das Raumkonzept der Städte des kaiserzeitlichen Griechenland ein Produkt städtebaulicher Leitlinien, die seit dem Hellenismus die Stadtbilder des griechischen Ostens geprägt hätten: die Agora wurde in eine hofähnliche Platzanlage transformiert, die auf die Agora mündenden Straßen wurden durch Säulenhallen monumentalisiert. Auf dem Forum der colonia Korinth ist die Axialität des Tempels E mit der Iulischen Basilika charakteristisch, wobei die Einrichtung einer area sacra am W-Ende des Forums von der hierarchischen Gliederung italischer Platzanlagen beeinflusst war. Die funktionale Kontinuität der Platzanlagen erlebte in der Kaiserzeit eine gewisse Zäsur, indem der gebaute Raum nun durch die Verwendung von Marmor ästhetisiert wurde.

   

         Bezüglich der urbanen Sakrallandschaften ist deren Verfall und Erneuerung von Interesse, berichtet doch Pausanias (8,30,6) von einer beträchtlichen Zahl von in Ruinen liegenden Heiligtümern und Tempeln. Auffällig ist, dass in augusteischer Zeit vermehrt Anstrengungen zur Wiederbelebung älterer Kulte und zur Renovierung von städtischen Heiligtümern gemacht werden. Zäsuren in der Sakrallandschaft der griechischen Städte in der Kaiserzeit ergeben sich aus der Praxis des Kaiserkultes. So ist in der iulisch-claudischen Zeit in den Städten der Peloponnes der Kult des Augustus und der domus Augusta verbreitet. Dabei werden bestehende Bauwerke adaptiert oder Tempel ex novo errichtet. Diese Bauwerke weisen allerdings nur eine schwach ausgeprägte Monumentalität aus: griechische Architekturformen dominieren, Einflüsse der römischen Tempelarchitektur sind selten. Dabei hat die Integration des Kaiserkultes in ältere Kultbauten weniger ökonomische Gründe, sondern ist vor allem Ausdruck städtischer Identität.

   

         Bei der Betrachtung der Orte der Unterhaltung, Entspannung und Körperkultur geht F. von den Theatern aus, die in den Städten der Peloponnes am Anbruch der Kaiserzeit eine lange, noch bis in das ausgehende 6. Jh. v. Chr. weisende Kontinuität besitzen: die Theater sind ein integraler Bestandteil der Urbanität. Der großen Zahl bereits vorhandener Theater in den peloponnesischen Städten stehen wenige Neubauten wie z. B. das frühaugusteische Theater von Sparta gegenüber. Die Umbauten an bestehenden Theatern sind in der überwiegenden Zahl der Fälle auf den Bühnenbereich beschränkt, was sicher auch mit der wachsenden Beliebtheit auch im kaiserzeitlichen Griechenland von Mimus und Pantomimus zusammenhängt. In Korinth bildeten seit der frühen iulisch-claudischen Epoche ein Amphitheater und seit der spätaugusteischen Zeit ein Circus den baulichen Rahmen für munera und venationes, während in den anderen Städten der Peloponnes bzw. der provincia Achaia die Theaterbauten für diesen Zweck genutzt wurden. Eine erste Verbreitung der Odeia erlebten die Städte auf der Peloponnes am Ende des 1. Jhs. n. Chr., wobei dieses Datum mit dem Auftakt der 2. Sophistik zusammenfällt: die Angehörigen der städtischen Eliten waren die Exponenten dieser kulturellen Strömung. Die Übernahme der römischen Badekultur in Gestalt einer formalisierten Abfolge von unterschiedlich temperierten Badegängen findet als Ausdruck der Romanisation nur zögerlich statt; Sport- und Körperkultur sind weiterhin in erster Linie auch während der Kaiserzeit in den Gymnasien angesiedelt. Es mangelt an Indizien für im Laufe des 1. Jhs. n. Chr. errichtete Thermenanlagen und erst im 2. Jh. n. Chr. finden Neubauten statt, was als zurückhaltender Rezeptionsprozess der griechischen Eliten anzusehen ist. Für die Gymnasien gilt, dass mit Anbruch der Kaiserzeit die inschriftlichen Belege zurückgehen, sie aber weiterhin ein Bestandteil der Urbanität und städtischen Kultur bleiben. Das hellenistische Gymnasion bietet ein breites funktionales Spektrum, das neben der körperlichen auch die intellektuelle Erziehung umfasst.

  

          In einem 4. Teil legt der Autor eine knappe Schlussbetrachtung (349-353) zu seiner Arbeit vor. Dabei betont er das Kontinuum lokaler Traditionen, während römisch konnotierte urbane Lebensformen (z. B. die Badepraxis, munera und venationes) mit Ausnahme von Korinth und Sparta keine Verbreitung fanden. Neue gesellschaftliche Realitäten schuf vor allem der Kaiserkult, der auch in die Stadtbilder der kaiserzeitlichen Peloponnes seinen Eingang fand. Die Arbeit wird abgeschlossen durch Zusammenfassungen in englischer (354-357) und in neugriechischer Sprache (357-360).

   

         Als 5. Teil (363-423) folgen Anhänge in Form eines Appendix zu den kaiserzeitlichen Straßen in Korinth (363-367), ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis (369-403), in dem allerdings einige wenige der im Textteil zitierten Arbeiten fehlen (z. B. Alcock 1996, Aupert 1985, Moretti 2001, Ostrowski 1991, Pohl 2002, Sear 2009, Steskal 2003, Stibbe 1996). Es folgt der Abbildungsnachweis zu den durchwegs sehr guten Abbildungen, wobei man sich allerdings zu Korinth einen Gesamtplan wünschen würde, sowie ein Index locorum für die literarischen Quellen (409-412) und für die Inschriften (412-415).

   

         Insgesamt wird man die anspruchsvolle Arbeit mit ihrer erschöpfenden Behandlung der aktuellen Forschungsmeinungen, die nicht nur referiert, sondern auch diskutiert werden, wobei besonders für die Datierungen Belege in den Grabungsbefunden und im Fundmaterial gesucht werden, als sehr wertvoll bezeichnen dürfen.

 


[1]  Sehepunkte 20,7-8 (2020) http://www.sehepunkte.de/2020/07/33010.html; GöttFAlt 23, 2020, 1055-1066 (Maschek, D.); Gnomon 92, 2020, 743-747 (Tombrägel, M.).

[2] J. Fouquet, Der Roma-Augustus-Monopteros auf der Athener Akropolis. Herrscherkult und Memoria "ad Palladis templi verstibulum" ?, Thetis 19, 2012, 47-95; Wasser für die Stadt. Einige Beobachtungen zur Topographie von Troizen, Thetis 21, 2015, 124-132; Zum Schmuck der Stadt gebaut. Private Munifizenz und soziale Mobilität im frühkaiserzeitlichen Korinth und Sparta, in: J. Oberste - S. Ehrich (Hrsg.), Die bewegte Stadt. Migration, soziale Mobilität und Innovation in vormodernen Großstädten, Forum Mittelalter, Studien 10 (Regensburg 2015) 17-41; Civic Memoria and Architectural Innovation in Roman Argos and Sparta, in: J. Fouquet - L. Gaitanou (Hrsg.), Im Schatten der Alten ? Ideal und Lebenswirklichkeit im römischen Griechenland, 3. Heidelberger Altertumswissenschaftliches Studierendenkolloquium, 8.-10. November 2013, Peleus 71 (Mainz 2016), 65-84; Heroes of their times. Intra-mural burials in the urban memorial landscapes of the Roman Peloponnese. - in: Strategies of Remembering in Greece under Rome (100 B.C. - 100 A.D.). (Leiden 2017) 111-124.

[3]Hier muss allerdings auf die Ergebnisse der langjährigen griechisch-österreichischen Grabungen im Theater und auf der Agora von Elis verwiesen werden: z. B. V. Mitsopoulos-Leon, 10. vorläufiger Bericht über die Grabungen in Alt-Elis, ÖJh 50, 1972-75, Beiblatt, 181-224; V. Mitsopoulos-Leon - E. Pochmarski, Elfter vorläufiger Bericht über die Grabungen in Elis, ÖJh 51, 1976-77, Beiblatt, 181-222; V. Mitsopoulos-Leon, 13. vorläufiger Bericht über die Grabungen in Elis, ÖJh 52, 1978-80, Beiblatt, 101-132; V. Mitsopoulos - E. Pochmarski, Elis, ÖJh 53, 1981-82, Grabungen,16-23; V. Mitsopoulos-Leon, Die Südhalle in Elis. Abschließender Bericht über die Kampagnen 1978 und 1979 mit einer Zusammenfassung der früheren Ergebnisse, ÖJh 54, 1983, Beiblatt, 41-103; V. Mitsopoulos-Leon, Zur Verehrung des Dionysos in Elis. Nochmals Aξιε Tαυρε und die sechzehn heiligen Frauen, AM 99, 1984, 275-290; E. Pochmarski, Zur Chronologie der S-Stoa in Elis, ÖJh 60, 1991, 7-17; V. Mitsopoulos-Leon, Zur Chronologie der S-Stoa in Elis. Eine Entgegnung, ÖJh 60, 1990, 153-154; B. Eder - V. Mitsopoulos-Leon, Zur Geschichte der Stadt Elis vor dem Synoikismos von 471 v.Chr. Die Zeugnisse der geometrischen und archaischen Zeit, ÖJh 68, 1999, Beiblatt, 1-40; V. Mitsopoulos-Leon, Heiligtümer und Kultstatuen in Elis, in: Vis imaginum. Festschrift für Elisabeth Walde zum 65. Geburtstag (Innsbruck 2005) 257-268. - Hinzu kommen noch die österreichischen Ausgrabungsprojekte in Aigeira, Lousoi und Pheneos, zu denen die Bibliographie in dyabola.de zu konsultieren wäre.

[4]M. Walbank, The Foundation and Planning of Early Roman Corinth, JRA 10, 1997, 95-130; D. G. Romano, City Planning, Centuriation , and Land Division in Roman Corinth. Colonia Laus Iulia Corinthiensis and Colonia Iulia Flavia Augusta Corinthiensis, in: C. K. Williams II - N. Bookidis (Hrsg.), Corinth XX: The Centenary, 1896-1996 (Cambridge, Mass. 2003) 297-301.

[5]C. K. Williams II, A Re-evaluation of Temple E and the West End of the Forum of Corinth, in: S. Walker . A.Cameron (Hrsg.), The Greek Renaissance in the Roman Empire, Papers from the Tenth British Museum Classical Colloquium, London 1986, Bulletin Suppl. 55 (London 1989) 156-162.

[6]V. M. Strocka, Die Gefangenenfassade von Korinth. Ihr Ort in der römischen Kunstgeschichte, Eikoniká 2 (Regensburg 2010).

[7]  P. Aupert, Architecture et urbanisme à Argos au Ier siècle ap. J.C., in: J.-Y. Marc - J. C. Moretti (Hrsg.), Constructions publiques et programmes édilitaires en Grèce entre le IIe siècle av. J.C. et le Ier siècle ap. J. C., Actes du colloque organisé par l'École française d'Athènes et le CNRS, Athènes 14-17 mai 1995 (Athen 2001) 439-454.

[8M. Piérart, Argos romaine: La cité des Perséides, in: A. D. Rizakis - C. E. Lepenioti (Hrsg.), Roman Peloponnese III. Society, Economy and Culture under the Roman Empire, KERA Meletemata 63 (Athen 2010) 19-41.

[9]V. Evangelidis, Agoras and Fora: Developments in the Central Public Space of the Cities of Greece during the Roman Period, BSA 109, 2014, 335-356.