| Kerschner, Michael - Kowalleck, Ireen - Steskal, Martin: Archäologische Forschungen zur Siedlungsgeschichte von Ephesos in geometrischer, archaischer und klassischer Zeit. Grabungsbefunde und Keramikfunde aus dem Bereich von Koressos (Ergänzungshefte zu den Österreichischen Jahresheften 9)
ISBN 978-3-900305-49-9, 192 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und 51 Tafeln, teilweise in Farbe; 29,7 x 21 cm; broschiert, 55 Euro (Phoibos Verlag, Wien 2008)
| Rezension von Christine Rogl Anzahl Wörter : 2365 Wörter Online publiziert am 2009-01-15 Zitat: Histara les comptes rendus (ISSN 2100-0700). Link: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=579 Bestellen Sie dieses Buch Das zu besprechende Buch ist als Heft 9 in der Reihe der
Ergänzungshefte zu den Jahresheften des Österreichischen
Archäologischen Institutes in Wien erschienen. Es besteht sowohl aus
einzelnen als auch gemeinsam verfassten Beiträgen bzw. Kapiteln dreier
Autoren. Der Titel verspricht dem Leser Informationen zur frühen
Siedlungsgeschichte von Ephesos anhand von Grabungsbefunden und
Keramikfunden und impliziert die Klärung der Lokalisierung des
mythischen Gründungsortes von Ephesos durch Androklos, Sohn des Kodros
von Athen, und somit des griechisch-ionischen Nukleus der späteren
römischen Provinzhauptstadt von Asia. Das Buch widmet sich damit einem
der ältesten und auf das Heftigste diskutierten Forschungsgegenstand
der österreichischen Archäologie in Ephesos.
Der einleitende Überblick von M. Steskal (S. 11–19)
im ersten Kapitel verdeutlicht sowohl die forschungsgeschichtliche
Problematik als auch die für das frühe Ephesos bestehende topografische
und ethnische Situation. So finden sich in den antiken Quellen und
Gründungsmythen zahlreiche überlieferte Toponyme, die sich auf Ephesos
und sein Siedlungsgebiet beziehen. Neben Koressos zählen Pion und Preon, Tracheia und Lepre Akte, Ephesos und Smyrna sowie die Insel Syrie
dazu; auch einige bereits bestehende Heiligtümer werden erwähnt.
Folgende Örtlichkeiten in und um Ephesos könnten nun heute mit den
genannten Bezeichnungen belegt werden (vgl. Taf. 1. 47): zwei Berge und
ihre Abhänge (der kleinere und heutige Panayırdağ, der größere und
heutige Bülbüldağ), ein Geländeeinschnitt zwischen diesen Bergen, ein
längerer Küstenstreifen mit möglichen Hafenplätzen, ein Hügel mit
deutlichem Plateau (der heutige Ayasoluk), ein Flussdelta bzw. eine im
Laufe der Zeit gewachsene Schwemmebene und eventuell der heutige
Korudağ. Wie weiter in den Quellen zu erfahren ist, werden dieses
Gebiet und seine Siedlungen teils von einheimischen Stämmen, genannt
werden Lyder, Karer, Leleger und Amazonen, bewohnt, und teils von neu
zuwandernden griechischen Kolonisten aus Athen in Besitz genommen,
belassen oder abgesiedelt. Neben Strabon (14,632. 633; 1. Jh. v. Chr.)
berichten Pausanias (7,2,8, f.; 2. Jh. n. Chr.), Herodot (1,26. 92; 5.
Jh. v. Chr.) sowie Athenaios (8,62,361c–e; 2. Jh. n. Chr.) zahlreiche
weitere Details, dabei verweisen sie z. T. auf noch ältere
Schriftsteller bzw. Dichter und ihre Überlieferungen. Steskal stellt
auch die Frage nach dem historischen Kern solcher Gründungsmythen und
verweist auf nachträgliche, beabsichtigte Veränderungen zugunsten
höherer zeitlicher Ansätze der betreffenden Stadtgründungen (S. 14 f.).
Es schließt ein weiterer Überblick (S. 16–18) zu den bisher von
Archäologen und Epigrafikern vorgenommenen Lokalisierungsversuchen von Koressos
an. Eine Ausführung zu den in den letzten einhundert Jahren vertretenen
Meinungen erübrigt sich, es findet sich ein Wechselspiel der
Benennungen. Dabei gilt das Toponym Koressos seit den Forschungen J.
Keils in den 1920er Jahren als Synonym für den griechischen, sprich
›altionischen‹ Gründungs- und Siedlungsort innerhalb der ephesischen
Topografie. Keil vermutete 1924 im Vediusgymnasium von Ephesos das bei
Aristeides im 2. Jahrhundert n. Chr. erwähnte Gymnasium »pròs tō koressō«
(Aristeid. β 82) und belegte nach eigenen Feldforschungen in den 1920er
Jahren den Geländebereich an der Nordseite des Panayırdağs
(insbesondere die Ebene nördlich des Stadions bis hin zur sog.
Akropolis, vgl. Taf. 39) mit diesem Namen. Kontinuität voraussetzend,
bezeichnete nun Koressos sowohl den mythischen Gründungsort von
Ephesos als auch einen kaiserzeitlichen Wohnbezirk innerhalb der Stadt.
Steskal macht auch darauf aufmerksam, dass die Ausdehnung und Größe des
genannten Wohnbezirkes von der Lokalisierung des Koressischen Tores,
die bislang nicht eindeutig erfolgte, abhängt (S. 19 f.).
Im zweiten Kapitel zum Grabungsbefund im Vediusgymnasium (S. 21–23)
erfährt der Leser, dass die im Folgenden präsentierten Keramikfunde aus
Aufschüttungen bzw. Planierschichten des 2. Jahrhunderts, ja teils des
5.–7. Jahrhunderts n. Chr. stammen. Sie wurden in den Jahren 2001–2005
ergraben. Diese Grabungen belegen intensive Terrassierungs- und
Baumaßnahmen in römischer Zeit, führten aber kaum unter das römische
Niveau hinab (S. 25).
Das dritte Kapitel behandelt die Keramikfunde aus dem Bereich Koressos.
Hier stellt zuerst M. Kerschner 74 kleine, »diagnostische«
Keramikfragmente der spätgeometrisch-archaischen Epoche aus den
Grabungen im Vediusgymnasium vor (S. 25–74). Eine zeitliche,
typologische und stilistische Einordnung der großteils feinkeramischen
Fragmente erfolgt anhand außerephesischer Vergleiche. Ein ausführlicher
Katalog ergänzt die Keramikpräsentation. Zur Darstellung der Stücke GrK
1–74 werden 9 Zeichnungstafeln (Taf. 10–18) und 14 farbige Fototafeln
(Taf. 23–36) benötigt. 13 weitere Fragmente, die aus den alten
Suchgräben J. Keils am Panayırdağ stammen und auf alten Fotos erhalten
sind, werden in die Diskussion der Fragmente miteinbezogen (Taf.
41–42). Die Keramikfunde datieren ca. ab der Mitte des 8. Jahrhunderts
v. Chr. bis um 400 v. Chr. Trotz des Fehlens von Siedlungsresten wird
anhand der »hohen Funddichte« an Keramik, die auch Keil teils
beobachtet haben soll, ein »indirekter Nachweis einer Siedlung der
geometrisch-archaischen Epoche am nordwestlichen Ausläufer des
Panayırdağs« als wichtigste historische Aussage herausgestellt (S. 25,
vgl. auch 109–114).
I. Kowalleck präsentiert anschließend 70 attische und attisierende
Keramikfragmente (S. 75–107). Diese umfassen zwei rotfigurige Fragmente
und 65 von ursprünglich 300 Stücken der Glanztonware aus den Sondagen
im Vediusgymnasium, sie nimmt drei schwarzfigurige Fragmente aus den
Grabungen Keils hinzu. Die Fragmente reichen chronologisch vom späten
6. Jahrhundert bis ins letzte Drittel des 4. Jahrhunderts v. Chr. Ein
kompakter Katalog begleitet die Präsentation. Kowalleck scheidet
erstmals Scherbentypen für die Keramik dieser Zeit, darunter einen
attischen, einen lokal-regionalen und zwei ostägäische fabrics.
Makroskopische Beschreibungen sind beigegeben, aufschlussreiche
Auswertungen zu den Gefäßspektren wurden unternommen (S. 88–98). Die
Fragmente finden auf 4 Zeichnungstafeln (Taf. 19–22) und 2 Farbtafeln
inklusive Scherbentypen (Taf. 37–38) Platz. Sie interpretiert die
Keramikfragmente »als Indikator für eine Nutzung des besprochenen
Gebietes im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.« (S. 75).
Das vierte Kapitel wird für eine Auswertung des neuen und alten
archäologischen Befundes und etwaiger historischer Implikationen
genutzt (S. 109–126). Zahlreiche Notizen aus dem Grabungstagebuch Keils
zur Fundsituation in den von ihm angelegten Suchgräben (S. 109–114,
vgl. Taf. 39) werden diskutiert. Mittels einer Auswertung des
Gefäßspektrums der insgesamt 90 Fragmente geometrisch-archaischer
Zeitstufe wird auf ihren ursprünglichen Funktionszusammenhang
geschlossen (vgl. Diagramm 7, S. 115 f.: »...es handle sich »zumindest
im Wesentlichen um Siedlungsmaterial und nicht um Votivkeramik....«).
Schließlich führt M. Kerschner aus, dass die von ihm besprochene
Keramik eine Besiedlung des Panayırdağs ab der Mitte des 8.
Jahrhunderts v. Chr. belege. Damit entfiele dieser Bereich als
altionischer Gründungsort, hingegen sprächen proto- und
mittelgeometrische Keramik »sowohl aus der Siedlung auf dem Ayasoluk
als auch aus dem Heiligtum der Artemis« für eine kontinuierliche
griechische Besiedlung von Ephesos seit dem 11. Jahrhundert v.
Chr. Sodann lokalisiert er die älteste griechische Siedlung am
Ayasoluk. Die frühe Datierung stützt er mit Verweisen auf antike
Quellen wie das Marmor Parium und Eusebius von Kaisarea und die von
ihnen überlieferten Daten 1087/77 und 1045 v. Chr. zur Gründung von
Ephesos (S. 121 f. mit Anm. 565).
Zusätzlich werden Beobachtungen zu einer frühen Befestigungsmauer (Taf.
40), zu Heiligtümern, Steleneinlassungen, gehäuften und vereinzelten
Scherbenfunden, Bohrkernen, vermuteten antiken Küstenverläufen und
möglichen Hafenplätzen eingebracht (S. 116–126). Eine weitere Stelle
bei Strabon (14,640), die seit längerer Zeit in der Forschung für einen
angeblich unter König Kroisos erfolgten Synoikismos herangezogen wurde,
wird hinsichtlich dieser Interpretationsmöglichkeit stark relativiert
(S. 123). Da Befunde aus hellenistischer Zeit ebenso fehlen, und Funde
dieser Zeit in einer zu »vernachlässigenden Anzahl« vorliegen, werden
diese in der Publikation nicht präsentiert Sie sollen, wie hier M.
Steskal ausführt, jedoch gegen groß angelegte Siedlungsaktivitäten im
Bereich des Vediusgymnasiums in hellenistischer Zeit sprechen (S. 126).
Zusammenfassungen in deutscher, englischer und türkischer Sprache
schließen das Buch (S. 127–132).
Damit schlagen die neuesten archäologischen Forschungen zur frühen
Siedlungsgeschichte von Ephesos den Ayasoluk als den ursprünglichen
griechischen Siedlungshügel vor. Dieser wird mit dem in den Quellen
Ephesos genannten Ort identifiziert. Koressos hingegen ist an
der Nordwestflanke des Panayırdağs zu lokalisieren, und wird, wie die
vorgelegten Keramikfunde belegen, erst Mitte des 8. Jahrhunderts
besiedelt. Der unter König Kroisos vermutete Synoikismos ist weder
eindeutig in den Quellen zu erschließen noch aufgrund eines
ersichtlichen Hiatus aus der Zeit nach der Mitte des 6. Jahrhunderts zu
belegen; Kontinuität bei den Keramikfunden beweisen eine Nutzung im
Bereich nördlich des Panayırdağs und südwestlich des Artemisions (S.
128).
Das Buch ist gut gestaltet und redigiert. Die
Zusammenstellung der antiken literarischen und epigrafischen Quellen
sowie der bisher vertretenen Forschungsmeinungen bietet eine nützliche
Einstiegshilfe in die behandelte Thematik. Auch erhält der Leser eine
Übersicht zu den bisher bekannten und diskutierten Fundstellen des
frühen Ephesos (Taf. 39, 47–49). Die Literaturverweise aller drei
Autoren zeugen von fundierten Kenntnissen. Das Kapitel zur attischen
und attisierenden Keramik ist hinsichtlich der Aufbereitung,
Präsentation und Auswertung vorbildlich gelungen. Es bietet
aufschlussreiche Ergänzungen zu den grundlegenden Arbeiten von E.
Trinkl und B. Kratzmüller für Ephesos (vgl. Scherrer – Trinkl 2006,
165–252 Taf. 37–50). Die Einbindung der Funde und
Tagebuchaufzeichnungen von Keil ist als informativ zu werten. Die
grundsätzliche Trennung von literarischen und archäologischen
Gegebenheiten ist klar durchgeführt.
Allerdings ist eine Diskrepanz hinsichtlich der
Zielsetzung des Buches (spezialisierte Keramikforschung oder
Siedlungsgeschichte?), der Autorenmeinungen und formaler Belange
durchgehend spürbar. So zeigen insbesondere die Abschnitte von M.
Kerschner mangelnde Durchsicht. Auf den Tafeln 10 und 11 fehlen die
Maßstäbe. Dort sind auch die Fragmente GrK 23–25 entweder
unterschiedlich verkleinert oder die Angaben zu ihren Durchmessern im
Katalog unrichtig. Auf den Fototafeln 23–36 vermisst man Maßstäbe, auch
finden sich andernorts keine diesbezüglichen Angaben. Die
Keramikfragmente erscheinen in unterschiedlichen Verkleiner- oder
Vergrößerungen. Manche der Stücke sind um ein Drittel größer als in
Wirklichkeit abgebildet (z. B. Taf. 15. 32, GrK 52), dabei offenbaren
die wenigsten weder besonderen Dekor noch andere Details. Eine
Anordnung von fünf bis sechs kleinster, kaum dekorierter Fragmente der
geometrisch-archaischen Epoche auf jeweils einer Farbtafel – insgesamt
gibt es 14 davon – lässt an eine völlig unproportionale Behandlung und
eine oberflächliche Tafelerstellung denken. Das offensichtlich in
letzter Minute entnommene Fragment GrK 27, das nicht erfolgte
Nachrücken der übrigen Katalognummern und die damit verbundenen
unrichtigen Zahlenangaben zu den Auswertungen sprechen für eine gewisse
Unfertigkeit.
Eine allzu vorschnelle historische und kulturhistorische Interpretation
von M. Kerschner ist keinesfalls zu leugnen. Seine Lokalisierung des
ursprünglichen griechischen Siedlungsortes vertritt er beinahe so
polemisch, wie es einst O. Benndorf vor über 100 Jahren tat (vgl. Brein
1976/1977, 65). Im Gegensatz zu den beiden anderen Autoren zeigt er
wenig Achtsamkeit hinsichtlich mancher Begriffe. Auch scheint eine
Lokalisierung von Koressos für ihn eindeutig zu sein, ebenso
wie eine Siedlung dort. Im Falle von GrK 71 spricht er von einem
›Scherbentyp‹ (S. 56). Meinte er hier nicht vielmehr ›Herkunftsgruppe‹
oder ›Fabrikat‹? Denn bis dato wurden für die geometrisch-archaische
Keramik aus Ephesos weder hier noch andernorts makroskopisch bestimmte
Scherbentypen vorgestellt. Aufgrund fehlender Hinweise zu weiteren, in
Frage kommenden Fundplätzen und somit Lokalisierungsmöglichkeiten fühlt
sich der Leser zu seinen Ergebnissen regelrecht hingestoßen. So stellt
man sich nach der Lektüre folgende Fragen:
1. Ist ein indirekter Nachweis für eine Siedlung ohne archäologisch
nachgewiesene und dokumentierte Siedlungsreste sowie entsprechende
Fundkontexte zielführend?
Weder die neuen Sondagen im Vediusgymnasium noch die alten Suchgräben
Keils erbrachten Siedlungsreste. Hierzu ist auch zu erfahren, dass
Keils Skizzen- und Notizbücher verloren sind und Profilzeichnungen und
Fotos zu den Suchgräben fehlen (S. 110 mit Anm. 484).
2. Ist es methodisch zulässig, mehrfach umgelagertes Schuttmaterial als
Beleg für eine Siedlung und ihre Dauer, oder wie hier, für ihren Beginn
heranzuziehen?
3. Sollte GrK 39 (vgl. S. 46 mit Anm. 215–218, S. 121 mit Anm. 566) nicht eindeutig als protogeometrisch klassifiziert werden?
Vergleiche mit der bislang aus Ephesos publizierten Keramik legen dies nahe (vgl. Kerschner 2003a und 2003b).
4. Warum erfolgt die typologische, chronologische und stilistische
Einordnung anhand außerephesischer Vergleiche? Gibt es keine
vergleichbaren ephesischen Fundkontexte mit guten Parallelen?
Interessanterweise zeigen die Tafeln 43–44 einige, beinahe vollständige Fundstücke aus dem Artemision.
5. Liefern die sprachlich sehr elegant formulierten und sich teils
wiederholenden Form-, Dekor-, Stil- und Detailbeschreibungen zur
geometrisch-archaischen Keramik dem Leser eine Vorstellung oder einen
realen Erkenntnisgewinn hinsichtlich ephesischer Formen, Typen,
Dekorationen und ihrer chronologischen Stellung?
6. Vermitteln die sich ebenfalls teils wiederholenden Vergleiche und
Hinweise auf in unpublizierten Diplomarbeiten und Dissertationen
definierte Keramiktypen, Gruppen oder Varianten dem Leser greifbare
oder verwertbare Informationen?
So finden sich z. B. in der Anmerkung 76 auf S. 27, welche genau der
Anmerkung 309 auf S. 58 entspricht, in den Anmerkungen 113, 119 und 121
auf S. 31–33 sowie in der Anmerkung 148 auf S. 37 Hinweise auf M.
Kerschners Dissertation in Bochum 1995 oder auf U. Schlotzhauers
Magisterarbeit und Dissertation in Bochum 1995 bzw. 2001. Diese
Arbeiten sind im Gegensatz zu anderen archäologischen
Qualifikationsarbeiten dieser Universität nicht als pdf abrufbar.
7. Sind die zahlreichen im Katalog zur frühen Keramik verwendeten
Kürzel (z. B. FDI = feine Drehrillen innen; OFGA = Oberfläche geglättet
an der Außenseite; OFSG etc.) wirklich praktisch? Und wie ergeht es
einem fremdsprachigen Benützer dabei?
8. Ist es methodisch zulässig, 90 (eigentlich nur 88)
spätgeometrisch-archaische Fragmente, deren klare Auswahlkriterien,
ursprüngliche Gesamtmenge oder Fundkontexte nicht bekannt sind, und die
einen Zeitrahmen von 370 (!) Jahren überbrücken, zueinander in Relation
zu bringen und sodann Vergleiche hinsichtlich anderer Gefäßspektren
anzustellen?
9. Wissen wir, wie ein typisches Gefäßspektrum in einem frühen
Heiligtum (Artemision) oder einer Siedlung (Tetragonos-Agora, Ayasoluk)
in Ephesos im Gesamten aussieht? Und wie sehen die Siedlungsstrukturen
aus?
Auf der Tetragonos-Agora wurden spätgeometrisch-archaische Häuser mit
mehreren Bauphasen aufgedeckt (vgl. Scherrer – Trinkl 2006, 60–68).
Über die Siedlungen am Ayasoluk und in der Nähe des Artemisions ist
kaum etwas bekannt (vgl. Scherrer 2007, 327).
10. Kann ohne Vorlage der gesamten Keramik vom Ayasoluk und etwaiger
Fundkontexte eine griechische Ethnizität der Benützer erschlossen
werden? Ist im küstennahen Bereich nicht über die Jahrhunderte
›griechische‹ Keramik anzutreffen? Gibt es Kriterien zur
Differenzierung? Wie sieht die einfache Gebrauchskeramik aus?
11. Was ist »früh« an der auf Tafel 40 abgebildeten Befestigungsmauer?
Die datierende Keramik ist verschollen (S. 116 mit Anm. 530), eine Bauanalyse wurde nie vorgenommen.
12. Bedürfen das Marmor Parium und Eusebius im Falle ihrer Nutzung als
historische Quellen für einen konkreten zeitlichen Ansatz nicht
größerer Quellenkritik?
Das Marmor Parium ist in hellenistischer Zeit entstanden, Eusebius von
Kaisareia lebte ca. 260–340 n. Chr. Die Frage nach ihrer Entstehung,
ihrer Bestimmung oder der Problematik bezüglich ihrer Überlieferungen
sollte wohl gestellt werden.
13. Deuteten nicht bereits andere Autoren die Aufgabe der Annahme eines »Synoikismos« unter Kroisos an?
Ein Vergleich mit kürzlich erschienener Literatur macht dies deutlich
(vgl. Scherrer – Trinkl 2006, 59 f. 261–267 und Mohr 2007, 307 mit Anm.
34; zuletzt Scherrer 2007, 331 zu entsprechenden Gräberfeldern und
Funden).
14. Ist es anhand des Kenntnisstandes und der derzeitig vorliegenden
archäologischen Materialbasis methodisch zulässig, derart weitreichende
historische Aussagen zu treffen?
Mag M. Kerschner als Spezialist und langjähriger Keramikbearbeiter
aller hier genannten ephesischen Fundplätze (vgl. S. 122 mit Anm. 573;
Kerschner 1997a; Kerschner 1997b) das umfangreiche Fundmaterial bestens
kennen, so sollte es doch erlaubt sein, eine umfassende Fundvorlage und
somit eine Nachvollziehbarkeit seiner hier vorgestellten
Schlussfolgerungen einzufordern.
Als etwas unglücklich einzustufen ist schließlich noch die nicht
erfolgte Vorstellung und Diskussion der hellenistischen Keramikfunde
durch M. Steskal. Ein Vergleich der Anzahl und Art der keramischen
Funde vor und nach der Neugründung von Ephesos durch Lysimachos (in
frühhellenistischer Zeit) wäre nicht uninteressant für die
Siedlungsgeschichte im Bereich des Vediusgymnasiums gewesen. So fanden
sich dort unter den hellenistischen Fragmenten zumindest Modelfragmente
hellenistischer Reliefbecher.
Abgekürzt zitierte Literatur:
Brein 1976/1977 F. Brein, Zur ephesischen Topographie, ÖJh 51, 1976/1977, Beibl. 65–76.
Kerschner 1997a M. Kerschner, Ein stratifizierter
Opferkomplex des 7. Jh.s v. Chr. aus dem Artemision von Ephesos, ÖJh
66, 1997, Beibl. 85–226.
Kerschner 1997b M. Kerschner, Ein Kessel des frühen
Tierfriesstiles aus den Grabungen unter der Tetragonos-Agora in
Ephesos, ÖJh 66, 1997, 9–27.
Kerschner 2003a M. Kerschner, Zum Kult im
früheisenzeitlichen Ephesos. Interpretation eines protogeometrischen
Fundkomplexes aus dem Artemisheiligtum, in: B. Schmaltz – M. Söldner
(Hrsg.), Griechische Keramik im kulturellen Kontext. Akten des
Internationalen Vasen-Symposions in Kiel 24.–28. September 2001
(Münster 2003) 246–250.
Kerschner 2003b M. Kerschner, Stratifizierte
Fundkomplexe der geometrischen und subgeometrischen Epoche aus Ephesos,
in: B. Rückert – F. Kolb (Hrsg.), Probleme der Keramikchronologie des
südlichen und westlichen Kleinasiens in geometrischer und archaischer
Zeit. Internationales Colloquium Tübingen 24.–26. März 1998, Antiquitas
3, 44 (Bonn 2003) 43–59.
Mohr 2007 M. Mohr, An welcher Stelle lag die
archaisch-klassische Siedlung von Ephesos? Neue Überlegungen zur
archäologischen und literarischen Evidenz, ÖJh 76, 2007, 301–320.
Scherrer – Trinkl 2006 P. Scherrer – E. Trinkl, Die
Tetragonos-Agora in Ephesos. Grabungsergebnisse von archaischer bis in
byzantinische Zeit – ein Überblick. Befunde und Funde klassischer Zeit,
FiE 13,2 (Wien 2006).
Scherrer 2007 P. Scherrer, Von Apaša nach Hagios
Theologos. Die Siedlungsgeschichte des Raumes Ephesos von
prähistorischer bis in byzantinische Zeit unter dem Aspekt der
maritimen und fluvialen Bedingungen, ÖJh 76, 2007, 321–351.
|